TV-TippHerren

Dieser Film trifft den Nerv der Zeit und gerade deshalb sollten viele ihn sehen. Als humorvolle Komödie mit ernstem Hintergrund vermittelt er neue Fragen zum Thema Rassismus.

Von Marco Krefting, dpa 17.09.2020, 23:01

Berlin (dpa) - "Die sehen uns nicht", ruft Ezequiel. "Wir sind unsichtbar." Dann rennt er schreiend und mit erhobenen Armen auf die auch nachts noch viel befahrene, mehrspurige Straße. Die Autos hupen. Eines bremst. Die Kegel des grellen Scheinwerferlichts werden immer kleiner - so nah vor Ezequiel stoppt der Wagen erst.

Ezequiel ist Afrobrasilianer, den es nach Berlin verschlagen hat. Er ist 45, Kampfsportmeister, unterrichtet eigentlich Capoeira. Weil es aber nicht so lief, wie er sich das erhofft hatte, sucht er nun einen neuen Job. Solange hilft er Reynaldo, der öffentliche Pissoirs putzt. Weil die unter Denkmalschutz stehen, nennen sie es "Denkmalhygiene".

Doch Ezequiel hadert nicht nur mit vermeintlich profanen Dingen wie Arbeitslosigkeit, Ehekrach und einem Sohn, der nicht wie vom Papa erwünscht studieren will, sondern lieber eine Ausbildung zum Friseur macht. Ezequiel hadert auch und vor allem mit seiner Hautfarbe: schwarz, wie ein Stigma. Als "AfD-Futter" bezeichnet er sich.

"Wenn du in diesem Land nichts Anständiges gelernt hast, dann kannst du auch nichts Anständiges arbeiten", erklärt er seinem Sohn. Als er dem Teenager einen Hochschulabschluss schmackhaft machen will, fragt der: "Warum ist das was Besseres?" Antwort: "Weil du schwarz bist."

Der Fernsehsender Arte zeigt den Film "Herren" am Freitagabend um 20.15 Uhr. Passender könnte die Produktion aus dem vergangenen Jahr nicht platziert sein: In einer Zeit, in der über Gewalt gegen Schwarze, Rassismus bei der Polizei, die Umbenennung von Hotels, Apotheken oder U-Bahnstation mit dem Namensbestandteil "Mohr" debattiert wird. In einer Zeit, in der die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA genauso wie in Deutschland Zehntausende auf die Straßen bringt.

Doch ist es rassistisch, dass Schwarze Toiletten putzen? Auch wenn der Chef selbst schwarz ist? Ist Integration gelungen, wenn der Schwarze eine Schrebergartenparzelle gepachtet hat - mit schwarzem Gartenzwerg? Immer wieder beleuchtet der Film Themen von einer anderen Seite und gibt Denkanstöße.

Während Ezequiel (Tyron Ricketts) seine Hautfarbe bedrückt und er mit ihr vor allem Probleme verbindet, hat Autor Warwick Collins ihm die beiden Figuren Reynaldo (Komi Mizrajim Togbonou) und Jason (Nyamandi Adrian) gegenübergestellt. Die zwei sind lebensbejahend und machen den Streifen zu einer Komödie. Sie arbeiten im Trio. Der junge Jason - Mutter Biodeutsche, Vater aus Ghana, wie er sich selbst vorstellt - will eigentlich Musiker werden. "Mir kann keiner meine Würde wegnehmen", sagt er. "Das ist eine Sache der Haltung."

Und Reynaldo - aus Kuba stammend, in der DDR groß geworden - genießt sein Leben im Schrebergarten. Er schwärmt davon, dass es dort wirklich keine Probleme mit Rassismus und Ausländerhass gebe. In einer anderen Parzelle lebten zum Beispiel Vietnamesen. Der Imbiss werde von Griechen betrieben. "Die Bayern sind neu hier." Manchmal ist das Andere, das Fremde eben eine Sache der Perspektive.

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