TV-Tipp Kreuz ohne Haken

Als Speerspitze des Widerstands kämpfen Pfarrer vielerorts gegen Neo-Nazis und rechte Gewalt. Eine ARD-Reportage begleitet die Geistlichen und stellt die Frage: Wie umgehen mit rechten Christen?

Von Christoph Zeiher, dpa 03.09.2017, 23:01

Düsseldorf (dpa) - Es war ein verstörendes Bild, das sich im Dezember 2016 in der Dortmunder Innenstadt bot. Mitglieder der Partei "Die Rechte" hatten den Turm der Reinoldi-Kirche besetzt und ein Banner mit der Aufschrift "Islamisierung stoppen" gehisst.

Die Szene steht beispielhaft für das Problem der Kirchen mit rechten Gruppierungen, mit dem sich an diesem Montag (23.45 Uhr) die ARD-Dokumentation "Kreuz ohne Haken - Die Kirche und die Rechten" beschäftigt.

Der 45-minütige Film begleitet mehrere Pfarrer, die aufgrund ihres Engagements zu Opfern rechter Gewalt geworden sind. Beispielsweise Charles Cervigne aus der Nähe von Aachen. Der evangelische Pfarrer wurde im vergangenen Jahr an der Tür seines Wohnhauses von Unbekannten niedergeschlagen. Cervigne hatte zuvor Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt und sich für eine offene Gesellschaft stark gemacht.

Vielerorts scheint die Bedrohung durch rechte Gruppierungen groß zu sein. Aufnahmen von Nazi-Aufmärschen und ein Ausflug in den sogenannten "Nazi-Kiez" von Dortmund untermauern diesen Eindruck. Konkrete Zahlen darüber, wie sich die Anfeindungen gegen Kirchenmitglieder und Geistliche entwickelt haben, fehlen in der Reportage jedoch.

Dass Pfarrer aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung ein leichtes Ziel für Gewalttäter sind, scheint indes logisch. Ihre Telefonnummer ist öffentlich einsehbar und viele von ihnen wohnen im Pfarrhaus der Gemeinde. Außerdem sei die Kirche eine Art natürliche Zielscheibe für Nazis, erklärt der katholische Politikwissenschaftler Andreas Püttmann: "Neo-Nazis betrachten die Christen sozusagen als Geschwister der Juden."

Aber nicht nur gewaltbereite Rechte machen den Kirchen zu schaffen. Abseits von Demos und Gewalttaten wirft die Reportage auch einen spannenden Blick auf rechte Strömungen innerhalb der Gemeinden. So klagt etwa eine christliche AfD-Anhängerin, die Kirche sei zu einem "Arm der linken politischen Parteien" geworden. Auch ein ehemaliger Pfarrer und jetziger AfD-Politiker kommt zu Wort. Er fühlt sich von seiner Kirche ausgegrenzt und missverstanden.

Angesichts dessen stellt sich verstärkt die Frage: Wie politisch kann und muss Kirche heutzutage sein? Politikwissenschaftler Püttmann hat darauf eine klare Antwort: "Es ist Aufgabe der Kirche, nicht nur ihre Eigeninteressen im Auge zu haben, sondern auch die Grundrechte der menschlichen Person". Wenn Parteien diese Rechte in Fragen stellten, müsse sich die Kirche auch politisch einmischen.

So sehr dies Pfarrer in ihrer Arbeit vor Ort auch tun, so schwer scheint es der großen Institution Kirche noch immer zu fallen - das zeigt dieser Film. Zwar haben sich Bischöfe und Kardinäle auch in der Vergangenheit immer deutlich von der AfD distanziert. Zu klaren Empfehlungen, was das Kreuz auf dem Stimmzettel angeht, lassen sie sich aber nicht hinreißen.