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TV-Tipp Landkrimi: Alles Fleisch ist Gras

Ungewöhnliche Bilder, tolle Darsteller und eine skurril-provozierende Story machen den neuen "Landkrimi" aus. In "Alles Fleisch ist Gras" geht es um Sündhaftigkeit und ein ganz besonderes Düngemittel. Ein Fall für Tobias Moretti, der hier selbst bald Dreck am Stecken hat.

Von Ulrike Cordes, dpa 29.07.2020, 07:36
Oliver Roth
Oliver Roth ZDF

Berlin (dpa) – "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit" – so steht es in der Bibel. Im Neuen Testament erinnert der Apostel Petrus mit diesen Worten an die Vergänglichkeit irdischen Lebens.

Der Komponist Johannes Brahms verwendete den unter die Haut gehenden Text 1868 für sein "Deutsches Requiem" – ein trostreiches Trauerwerk. "Alles Fleisch ist Gras" ist auch der Titel der nächsten "Landkrimi"-Episode im ZDF (Mittwoch, 29. Juli, 20.15 Uhr). Da kann die Verwandlung von Menschenfleisch in organischen Dünger beobachten.

Mit Ehebruch und Erpressung beginnt die Handlung. Sie entwickelt sich zum grotesk-abgründigen, furios gefilmten "film noir" im österreichischen Vorarlberg. Doch zu allererst fliegt bei einer großen Detonation zu gewaltigem "Halleluja"-Gesang unter anderem der Nikolaus in die Luft. Den ungewöhnlichen, topbesetzten Streifen inszenierte der Popmusiker, Autor, Kabarettist und Filmemacher Reinhold Bilgeri ("Erik & Erika").

Schauplatz ist das idyllische Dornbirn. Dort frönt der verheiratete Chef der regionalen Abwasserreinigungsanlage, Anton Galba (Wolfgang Böck), nicht nur seiner Neigung, das Klärwerk technisch aufzurüsten. Sondern auch einem Verhältnis mit seiner jungen Mitarbeiterin Hilde Siebers (Anna Unterberger, "Die Toten von Salzburg").

Den freizügigen Sex der beiden im Wald filmt der Angestellte Mathis Roland (Fritz Hammel), der mit den Videos seinen Vorgesetzten erpresst. Beim Treffen der Männer fällt Roland jedoch von der Leiter und bricht sich den Hals. In Panik entsorgt Galba die Leiche in der betriebseigenen Fleischmühle. Und dank seiner Erfindung bleibt vom Schnüffler am Ende nicht mehr übrig als jener Superdünger, der Galba international bekannt gemacht hat.

Mit der seelischen Ruhe des älteren Betriebsleiters, Ehemanns einer mehr als nur Gugelhupf backenden Dame (Petra Morzé) und Familienvaters ist es allerdings dahin. Zudem untersucht den Verschwindensfall Chefinspektor Nathan Weiß (Tobias Moretti, "Bad Banks"). Der kennt Galba seit Schulzeiten – und verdächtigt ihn sofort. Doch statt ihn zu verhaften, schlägt er ihm einen Deal vor.

Denn auch im Umfeld des Staatsbeamten gibt es einen Widerling, den er gern loswerden würde. "Person weg, Problem weg", heißt es bei Weiß. Und so beauftragt er Galba, sich darum zu kümmern. Notgedrungen muss der mitmachen – aber für Weiß ist es erst der Anfang: Es gilt, die Gesellschaft von "Schädlingen" zu reinigen. Denn Dreck am Stecken haben im Vorarlberger Land viele seiner gern mundartlich sprechenden Bewohner: vom skrupellosen Bauunternehmer Ludwig Stadler, mit dessen Ehefrau Adele (Sabine Waibel) – seiner eigenen Ex - Weiß ins Bett geht, bis zum korrupten Stadtrat Karasek (Johannes Seilern).

Da wäre auch Drogendealer Mugler (Christoph Grissemann), dessen Stoff schon manchem Jugendlichen das Leben gekostet hat. Bei alledem ist selbst die Presse in Gestalt des TV-Moderators Kranz (Harald Schrott) nicht frei von Fehl und Tadel. Derweil behauptet Weiß von sich: "Ich lieb' die Menschen – wenigstens die meisten." 

Der Reiz dieses "Landkrimis" liegt neben der skurril-provozierenden Story und den tollen Darstellern in der Kameraführung durch Tomas Erhart: Expressionistische Hell-Dunkel-Effekte, eiskalt anmutende Technikbilder, blutige Traumsequenzen, Blicke aus der Tiefe eines heimischen Suppentopfs oder der Höhe des Himmels stellen eine makaber beunruhigende Atmosphäre her. Und am Ende weiß man auch, wer mit dem Nikolaus sonst noch in die Luft fliegt.

© dpa-infocom, dpa:200727-99-939511/3

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