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TV-Tipp Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit

Ein Flüchtling wird zu Tode geprügelt. Die Tatverdächtigen kommen aus der rechten Szene. Doch klar ist nichts. Und dann schaltet sich der Verfassungsschutz ein. Der "Polizeiruf" wirft Fragen auf zu Behörden und Gesellschaft - und hat mehrere Parallelen zur Realität.

Von Marco Krefting, dpa 18.08.2018, 23:01

München (dpa) - Gute Unterhaltung kann wehtun. Muss sie vielleicht auch manchmal. Der neue "Polizeiruf 110" aus München zeichnet ein düsteres Bild unserer Gesellschaft.

Ausländerfeindlichkeit ist gang und gäbe, zwielichtige Machenschaften seitens Staatsdienern und Behörden erscheinen als Selbstverständlichkeit. Der Zuschauer kann sich viel wundern, viele Fragen stellen, wenn er am Sonntag (19. August, 20.15 Uhr) im Ersten "Das Gespenst der Freiheit" sieht. Über allem steht: Ist Deutschland im Jahr 2018 wirklich so? Wirklich so schlimm?

Der Sachverhalt ist eindeutig: Ein Flüchtling wurde brutal zu Tode geprügelt. "Als man ihn gefunden hat, war sein Kopf soweit nach hinten gebogen, dass die Wirbel aus der Halswirbelsäule rausgebrochen sind", schildert Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) im Verhör das Ergebnis der Tat in seiner bekannt ruhigen Art. "Wenn er nicht an seiner zerrissenen Leber gestorben wäre, dann wäre er querschnittsgelähmt gewesen. Das hätte er aber gar nicht mehr gemerkt, weil sein Gehirn in einem See aus geronnenem Blut schwamm."

Die vier Tatverdächtigen kommen aus der rechten Szene. Bei den Vernehmungen machen sie zweideutige Witze. Doch klar ist nichts. Den Ermittlern fehlen eindeutige Beweise. Sie wollen mindestens einen der Männer in der Untersuchungshaft zum Reden bringen.

Doch dann schaltet sich Verfassungsschutzmitarbeiter Peter Röhl (Joachim Król) ein. Mit von Meuffels buhlt er um das Vertrauen des Hauptverdächtigen Farim Kuban. Beide machen dem Halbiraner Versprechungen, wie er sein Leben in Frieden fortsetzen könnte. Der junge Mann ist zerrissen zwischen seiner Kameradschaft, die Rumänen vom Straßenstrich vertreiben will, seiner deutschen Freundin und der Hoffnung auf eine ruhige Zukunft ohne Lebensgefahr.

Erschütternd an dem Film ist zweierlei: Zum einen wimmelt es da von Sätzen, die lapidar daher gesagt werden, deren Gültigkeit aber für keinen Moment in Zweifel gezogen wird. Von Meuffels zum Kollegen: "Lass uns mal im Büro nicht so über den Fall reden. Ich will nicht, dass die Rechten bei uns alles mitbekommen." Der Staatsanwalt: "Sie wissen, wie empfindlich die Öffentlichkeit ist. Vier Deutsche im Knast wegen einem Ausländer." Von Meuffels: "Im Moment ist doch jeder irgendwie braun." Verfassungsschützer Röhl: "Wenn ein Großteil der Bevölkerung rechts wählt, dann braucht sich auch der Neonazi nicht mehr wie ein Außenseiter aufführen."

Hinzu kommen Szenen, in denen Wärter im Gefängnis immer und immer wieder mit Schlagstöcken auf am Boden liegende Menschen prügeln. Die Rechten verbrennen eine Europaflagge und singen dazu die "Ode an die Freude". Als sie in eine Kneipe gehen, zeigen sie den Hitlergruß und rufen gleichermaßen "Wir sind das Volk" und "Sieg Heil!"

Zum anderen sind da die Parallelen zu realen Fällen: Die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechte Szene erinnern an ähnliche Verbindungen, die im Zuge der NSU-Ermittlungen bekannt wurden. Außerdem mag verwundern, dass jemand, der aus dem Iran stammt, in der rechten Szene ist und sich als "Arier" bezeichnet. Der Iran gilt als Heimat der Arier, eines zentralasiatischen Volkes mit indoeuropäischer Sprache. Die Nationalsozialisten machten aus dem Begriff "Arier" eine Bezeichnung für eine aus ihrer Sicht "überlegene Rasse".

Die Parallele hier: Der Amokläufer von München im Juli 2016 war ebenfalls ein Deutscher, dessen Familie aus dem Iran kommt und ist laut den Ermittlungen stolz darauf gewesen, "Arier" zu sein. Einige Gutachter und Politiker sehen hinter der Tat mit zehn Toten eindeutig rechtsextremistische Motive. Diese Zusammenhänge können ein Gefühl des Unbehagens vermitteln. Sie werfen Fragen auf, können nachdenklich stimmen. Und wehtun.

Infos über den Film