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Sturköpfe

Mit Sturheit macht man sich und anderen das Leben schwer. Umso schlimmer, wenn es dann gleich zwei sture Menschen sind.

Von Klaus Braeuer, dpa 03.12.2015, 23:01

Berlin (dpa) - Zwei richtige Dickköpfe treffen da aufeinander. Die junge Sissi Fischbacher (Alwara Höfels) steht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Rehatrainerin für Sehbehinderte. Eine letzte Prüfung steht ihr noch bevor:

Die Betreuung des kürzlich erblindeten Münchener Industriellen Theo Olsson (Peter Haber), der eigentlich aus Schweden stammt. Und das wird zu einer ungeheuren Herausforderung für beide. So beginnt der Film Sturköpfe, der am Freitag um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen ist.

Sie sagt bei der ersten Begegnung im Krankenhaus: Viele Menschen werden durch ihre schwere Erkrankung erst zu besseren Menschen. Darauf antwortet er: Na, dann kann ich mir ja noch einen Arm abhacken, dann werde ich vielleicht ein noch besserer Mensch. Olsson scheint ein wirklich sympathischer älterer Herr zu sein. Einen Blindenhund lehnt er ab, auch jeglichen Esoterik-Kram, und er hat große Angst, sich zu blamieren.

Sie wohnt eigentlich noch bei Mama, zieht aber zeitweise zu ihm in sein großes, kaltes Haus. Ganz zaghaft versucht sie, ihn dazu zu bewegen, seine übrigen Sinne zu benutzen, um sein verlorenes Augenlicht zu kompensieren - vor allem sein Gehör und seinen Geruchssinn. Er nennt sie das Mädel und verlangt, dass sie ihn innerhalb von vier Wochen fit macht, damit er wieder in seiner gewohnten herrischen Art samt Kommandoton vor seine Angestellten und die Bankmanager treten kann.

So ähnlich verhält er sich auch gegenüber seinem Sohn Jens (Sönke Möhring), der seinen cholerischen Vater schlicht für ein Arschloch hält - und nun ist er eben ein blindes Arschloch. Seine Mutter hat den Vater schon vor 26 Jahren verlassen, und auch Olssons Hausangestellte Renate (Gundi Ellert) hat seit 30 Jahren unter dem mürrischen und ungeduldigen Mann zu leiden, bleibt aber bei ihm.

Ganz allmählich akzeptieren sich Sissi und Theo - weil sie dieselbe klare Sprache sprechen. Und klare Ansagen muss Sissi auch gegenüber ihrer leicht prolligen und wehleidigen Mutter Gloria (Johanna Gastdorf) machen, die relativ erfolglos einen bonbonfarbenen Schönheitssalon betreibt.

Alwara Höfels (33) sagt im ARD-Interview: Sissi und Theo befinden sich in einem neuen Lebensabschnitt mit völlig neuen Herausforderungen. Sie begegnen sich ehrlich und wahrhaftig, ohne Umwege. Das führt zu großen Konflikten, ist aber gleichzeitig die Chance auf Erkenntnis.

Und Peter Haber (62) ergänzt: Alle Menschen, aber wahrscheinlich besonders Schauspieler, suchen den Blickkontakt des Gegenübers, auf der Bühne, im Film. Ohne den gewöhnlichen Blick kann man nicht reagieren. Da wir sehr lange Szenen und Einstellungen hatten, forderte es große Konzentration meinerseits, zu erspüren, wer wo steht, zu hören, von wo die Stimme kommt und dann genau darauf blind zu reagieren. Blind spielen macht einsam, ich fühlte mich isoliert.

Regisseurin Pia Strietmann (37, Tage, die bleiben) hat mit ihrem ersten TV-Film eine lebenskluge Tragikomödie gedreht, in deren Mittelpunkt zwei vollkommen unterschiedliche und vereinsamte Menschen stehen. Er erinnert in Geschichte und Aufbau schon stark an den französischen Erfolgsfilm Ziemlich beste Freunde. Ganz so scharfe Dialoge und witzige Szenen hat die deutsche Variante leider nicht zu bieten - der Arbeitstitel Klare Sicht bei milden Temperaturen wäre aber zumindest poetischer als Sturköpfe - denn so richtig stur sind sie ja im Grunde gar nicht.

Die beiden Hauptdarsteller sind schon ziemlich gut besetzt. Alwara Höfels (Dr. Gressmann zeigt Gefühle, ARD) wird 2016 als neue Kommissarin in einem rein weiblichen Ermittlerteam im Tatort (ARD) aus Dresden zu sehen sein, und eine leidenschaftliche Theaterschauspielerin ist sie auch. Peter Haber kennt man hierzulande natürlich sehr gut aus der schwedischen Krimiserie Kommissar Beck (ZDF), und da er hervorragend deutsch spricht, muss er nicht synchronisiert werden - was sich gerade in diesem Film sehr wohltuend bemerkbar macht. Sie gibt sich sehr emotional, er gibt sich sehr kontrolliert - und sie lernen beide voneinander, ein besserer Mensch zu werden (was immer das heißt) und Ja! zu sagen zu einem neuen, einem anderen Leben.

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