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TV-Tipp Tatort: Der rote Schatten

Ein "Tatort" mit zwei Zeitebenen: Der neue Stuttgarter Fall beschäftigt sich mit dem RAF-Terrorismus und zeigt immer wieder Aufnahmen aus der Vergangenheit. Dabei wird klar: Deren Schatten ist länger als gedacht - auch nach 40 Jahren.

14.10.2017, 23:01

Stuttgart (dpa) - Eine Frau ertrinkt in der Badewanne. War es Mord? Ein Unfall? Ihr Ex-Mann hält ihren neuen Lebensgefährten für schuldig. Der hat zwar schon einige Delikte auf dem Kerbholz, wird vom Staat aber stets geschützt. Warum?

Ein aktueller Fall führt die Stuttgarter "Tatort"-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) in die Vergangenheit: 40 Jahre zurück, in die Zeit des Terrors der Roten Armee Fraktion (RAF) bis zum Suizid führender RAF-Terroristen im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim - und nicht zuletzt zu den V-Leuten, die der Staat in der RAF installiert hatte. Eine Besonderheit: "Der rote Schatten" spielt auf zwei Zeitebenen und zeigt historische Aufnahmen aus dem Jahr 1977.

Am 18. Oktober 1977 begehen die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis Stuttgart-Stammheim Suizid. Zuvor hat die RAF Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt, um deren Freilassung zu erwirken. Doch der Staat lässt sich nicht erpressen. Auch nicht im Fall der von Palästinensern entführten Lufthansa-Maschine "Landshut", deren Passagiere und Besatzung von der Eliteeinheit GSG 9 in Mogadischu (Somalia) befreit werden - die Entführer töten Schleyer. Baader, Ensslin und Raspe bringen sich um. Wie sie im Gefängnis an die Waffen gekommen sind, ist bis heute nicht endgültig geklärt.

Rückwärtsgewandt ist der "Tatort" aber keineswegs. Vielmehr zeigt er, wie lang der Schatten der RAF 40 Jahre später noch reicht - auch und gerade in die Strukturen des Staates. So gibt der Oberstaatsanwalt im Stuttgarter Fall die Anweisung, den Tod der Frau in der Badewanne als Unfall zu den Akten zu legen - obwohl einiges dagegen spricht. Lannert und Bootz ermitteln trotzdem gegen den Lebensgefährten Wilhelm Jordan (Hannes Jaenicke). Dabei stellen sie fest, dass Jordan in den 70er Jahren V-Mann für den Verfassungsschutz gegen die RAF war. Ist das der Grund für den Widerstand der Staatsanwaltschaft?

Doch damit nicht genug: Wie sich herausstellt, hat Jordan Ähnlichkeit mit einem RAF-Mitglied, das später mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete und Aussagen machte, wie die Waffen für die tödlichen Schüsse auf Baader und Raspe in den Stammheimer Hochsicherheitstrakt kamen.

Der "Tatort" verknüpft dabei gelungen den fiktiven Fall mit dokumentarischen Aufnahmen von damals und nachgestellten historischen Szenen wie etwa aus der Todesnacht von Stammheim. All das bringt dem Zuschauer den Schrecken von damals näher - verbunden mit dem beklemmenden Gefühl, dass dieser Teil der Vergangenheit möglicherweise noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Auch er habe seinerzeit mit RAF-Sympathisanten in einer WG gelebt, erzählt Kommissar Lannert im "Tatort". Wohl so mancher hat noch solche Erinnerungen an damals. Auch Schauspieler Richy Müller, der Lannert verkörpert: Er habe die RAF-Zeit selbst erlebt und sei zum Beispiel bei Fahrten von der Schauspielschule in Bochum auf der Autobahn in entsprechende Polizei-Kontrollen geraten.

Sein Kollege Felix Klare, geboren 1978, sagt zum Deutschen Herbst: "Es steht in unserer Verantwortung, sich damit auseinanderzusetzen." Das ist es auch, was der Stuttgart-"Tatort" erreichen will.

Regisseur Dominik Graf - der bereits zahlreiche Krimis gedreht hat - wirft dem Staat mangelnde Aufarbeitung der RAF-Zeit vor. "Das Thema wurde überwiegend einseitig aufgearbeitet", sagt er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Viel zu viel Schlamperei und Vertuschung der staatlichen Behörden wurde und wird bei uns nach wie vor unter den Teppich gekehrt."

Den trauernden Lebensgefährten nimmt der Zuschauer Jordan indes ohnehin nicht ab: Immer wieder hat er leidenschaftlichen Sex mit einer Rothaarigen, die nicht nur in die Vorfälle von damals verwickelt zu sein scheint, sondern auch Männer kaltblütig erschießt, die zum Landeskriminalamt gehören.

Am Ende fährt der Verfassungsschutz eines Nachts bei Jordan vorbei. Was genau in dieser Nacht geschieht, bleibt aber ebenso nebulös wie die Ereignisse in der Todesnacht von Stammheim.