TV-Tipp Terrorjagd im Netz

Wenn es ein Spielfilm wäre, könnte er als gute Abendunterhaltung durchgehen. Doch "Terrorjagd im Netz" ist eine Dokumentation, die sich gegen Massenüberwachung richtet. Sie zeigt Alternativen - und was die Politik alles tut, um genau die zu verhindern.

Von Von Marco Krefting, dpa 11.09.2017, 23:01

Straßburg (dpa) - 14 Anschläge, 32 Attentäter, 429 Tote und 2472 Verletzte: Die Bilanz der Terroranschläge von 2005 bis 2017 in der westlichen Welt ist erschreckend. Darunter Würzburg, Ansbach und Berlin.

Die Arte-Doku "Terrorjagd im Netz" geht aber noch weiter in die Details: Jedes Mal sei einer der Täter polizeibekannt gewesen. Jedes Mal habe ein Netzwerk dahinter gesteckt. Jedes Mal habe es elektronische Kommunikation gegeben und einen digitalen Fußabdruck, der eindeutig auf Radikalisierung hinwies. Unweigerlich kommt da die Frage auf: Wie konnte das passieren - trotz Massenüberwachung?

Der Film ist Teil des Themenabends "Welt 3.0 - Die Macht der Algorithmen" am Dienstag (12. September) ab 20.15 Uhr bei dem deutsch-französischen Sender. Er analysiert Hintergründe zu Terroranschlägen, zeigt Mängel bei der massenhaften Datenkontrolle auf und stellt Alternativen vor.

Dabei ist die Dokumentation so inszeniert, dass sie stellenweise als Thriller durchgehen könnte: So treffen sich IT- und Terrorexperten auf menschenverlassenen Straßen im nächtlichen Wien, um an einer Überwachungslösung zu arbeiten. Die soll Sicherheit in der Terrorabwehr garantieren und gleichzeitig die Privatspha¨re schützen.

Der Film ist ein klares Plädoyer gegen Massenüberwachung. Das wird schon an der Wortwahl deutlich: Die Stimme aus dem Off spricht beispielsweise von "Sammelwut" und davon, dass die Ermittler aufgrund der Masse an Daten bei der Auswertung ein Jahr "hinterherhinken".

Der im russischen Exil lebende Whistleblower Edward Snowden darf darauf hinweisen, dass die breite Überwachung die Anschläge von Boston und Brüssel nicht verhindert habe. Und selbst der ehemalige Leiter der Cyber-Security der britischen Regierung zweifelt an der Wirksamkeit der bisherigen Methoden. Nur: Ein Befürworter, ein Verteidiger der Massenüberwachung kommt nicht zu Wort. Ein kleines Manko des Films.

Der geht zu einem großen Teil der anderthalb Stunden aber auch auf die Alternativen zum massenhaften Datensichern ein: Ein kleines, internationales Start-up will nur über öffentlich zugängliche Kanäle potenzielle Terroristen entlarven. Datenanalyst Christian Weichselbaum erklärt, dass er dafür bloß Informationen von sozialen Netzwerken, von Blogs und einigen Websites im Darknet, dem anonymen Teil des Internets, brauche. "Das, was öffentlich zur Verfügung steht, ist für uns eigentlich genug, um umfassend Schlüsse ziehen zu können", sagt der Ingenieur für Künstliche Intelligenz.

Auch wenn sich der Themenabend um Algorithmen dreht, gehen die Macher der Doku um Regisseur Friedrich Moser nicht zu sehr ins Detail, sodass auch Laien folgen können. Die Darstellung mit durchrauschenden Datenmengen auf einem Bildschirm, einem weltumspannenden Netzwerk aus Kommunikationswegen und die grafische Aufbereitung des Analysetools des Teams von Weichselbaum sind ebenfalls ansprechend.

Auch Zuschauer, die bei derartigen Themen vielleicht eher abschalten - in mehrfacher Hinsicht - dürfte die Geschichte interessieren. Denn die Entwicklung des Start-ups ist gar nicht so neu: Ein ähnliches Werkzeug haben amerikanische Geheimdienstler schon Ende der 1990er Jahre entwickelt. Nur hält das Pentagon diese Alternative zur Massenüberwachung unter Verschluss. Die Macher der Doku weisen auch auf den riesigen Markt für Überwachungstechnologien hin und auf juristische Versuche, die Erfinder von einst zum Schweigen zu bringen. Das lässt die Dokumentation fast schon zum Politkrimi werden. Doch es ist keine Fiktion.

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