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TV-Tipp Über Barbarossaplatz

Der Psychotherapeut Rainer hat sich umgebracht. Seine Frau Greta gibt sich die Schuld daran. Seine Patientin Stefanie muss aber dringend weiter in Therapie. Und es droht noch einiges mehr aus dem Ruder zu laufen in dem ARD-Film "Über Barbarossaplatz".

Von Andreas Heimann, dpa 27.03.2017, 23:01

Köln (dpa) – Es ist kein Film, in dem am Schluss alles gut wird. Es geht es um Menschen, die so verletzt sind, dass sie kaputtzugehen drohen. Drehbuchautorin Hannah Hollinger schildert sie in "Über Barbarossaplatz" ohne Weichzeichner, Regisseur Jan Bonny setzt die Geschichte so um, dass sie nichts an Härte verliert. 

Kölns Barbarossaplatz ist zu fast jeder Tageszeit zu sehen, aber selten in mildem Licht. Das gilt auch für die Hauptfiguren. Und das ist volle Absicht. Das Erste zeigt die ungewöhnliche WDR-Produktion an diesem Dienstag zu später Stunde um 22.45 Uhr.

In der Anfangsszene steht die Psychotherapeutin Greta Chameni (Bibiana Beglau) am Fenster. Sie guckt nachdenklich auf den Barbarossaplatz, viel zu sehen ist da nicht. In Gretas Leben ist einiges durcheinandergeraten. Ihr Mann Rainer hat sich umgebracht - seine Asche schüttet sie kurzerhand in den Rhein.

In Jan Bonnys Inszenierung werden auch Dramen lakonisch erzählt, ziemlich kühl, gerade wenn es um die gefühlskontrollierte Greta geht, die allenfalls stark alkoholisiert mal aus der Rolle fällt. Dramen gibt es in "Über Barbarossaplatz" genug, allein schon im Leben von Stefanie (Franziska Hartmann), einer von Rainers Patientinnen, mit der er ein Verhältnis hatte. Sie stolpert von einem Psychiatrieaufenthalt zum nächsten, unterbrochen nur durch zwanghafte Sexerfahrungen mit Männern, die nicht zum Sympathieträger taugen.

Und nun verlangt sie, dass Greta die Therapie mit ihr fortsetzen soll. Dabei hat die genug andere Sorgen. Dass sie sich die Schuld am Tod ihres Mannes gibt, ist nur eine davon. Dass sie die Nacht, in der er sich getötet hat, mit ihrem Kollegen Adrian zusammen war, macht es noch schlimmer. Und Benjamin Mahler, ihr früherer Professor (Joachim Król), ist auch keine große Hilfe.

"Greta erwischt der Schicksalsschlag, der Selbstmord ihres Ehemannes, sowohl persönlich als auch professionell", zitiert der WDR Bibiana Beglau zu ihrer Rolle. "Wir leben in einer Zeit, in der, wenn wir an unserer Seele verletzt werden, von uns erwartet wird, dass wir den Mund halten und weiterfunktionieren. Genau darum geht es in 'Über Barbarossaplatz'."

Nur durch Zufall findet Greta heraus, dass Benjamin gar nicht mehr als Therapeut arbeitet und mindestens so tief in einer Lebenskrise steckt wie sie. Und im Zweifelsfall auch eher ein Bier zu viel trinkt als zu wenig. Król nuschelt sich überzeugend durch seine Rolle. Für den melancholischen Therapeuten ist er eine Idealbesetzung.

Es gibt Szenen in diesem Film, die hart an die Grenze gehen. Wenn Greta sich betrunken beim Sex übergeben muss zum Beispiel. Oder wenn Stefanie fast auf dem Klo verblutet, nachdem sie sich selbst brutal verletzt hat. 

Die Frauenfiguren in "Über Barbarossaplatz" sind eindeutig die interessanteren. Franziska Hartmann spielt die gestörte, verzweifelte Stefanie, die mit gehetztem Gesicht durch die Nacht in Köln hastet, so glaubwürdig wie eindrucksvoll.

Und Bibiana Beglau als ihr Gegenpart, als emotionslos erscheinende Therapeutin, die selbst eine Therapie bräuchte, gibt ihrer Rolle ebenfalls Tiefe und Traurigkeit. "Wir erleben eine Person, die einen emotionalen Kollateralschaden erfährt und trotzdem weiter macht und versucht, sich neu zu orientieren, zu verstehen und weiter zu leben", sagt Beglau. 

Gretas nerviger Kollege Adrian (Shenja Lacher) hat es da deutlich schwerer. Der abgewiesene Liebhaber mit seinen ungeschickten Anbaggerversuchen, der besoffen "Viva Colonia" grölt, ist nicht als Publikumsliebling vorgesehen.  

In der Überlegung ist, "Über Barbarossaplatz" zu einer Reihe zu machen. Ob etwas daraus wird, ist dem WDR zufolge aber noch offen. Ein Buch für die zweite Folge ist aber bereits in der Entwicklung. Man darf gespannt sein. 

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