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TV-Tipp Wir sind jung. Wir sind stark

Die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen, die ausländerfeindliche Randale im Jahr 1992, gehört zu den traurigen Kapitel in der deutschen Geschichte nach der politischen Wende 1989.

16.08.2017, 23:01
Die Schauspieler Jonas Nay als Stefan und Saskia Rosendahl als seine Freundin Jenny in «Wir sind jung. Wir sind stark». Foto: Hendrik Schmidt
Die Schauspieler Jonas Nay als Stefan und Saskia Rosendahl als seine Freundin Jenny in «Wir sind jung. Wir sind stark». Foto: Hendrik Schmidt dpa-Zentralbild

Berlin/Rostock (dpa) - Noch immer gehören die Übergriffe in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 zu den schlimmsten ausländerfeindlichen Krawallen der Bundesrepublik.

Der Spielfilm "Wir sind jung. Wir sind stark" mit Jonas Nay als Hauptdarsteller ("Deutschland 83") verarbeitete Anfang 2015 das dunkle Kapitel deutscher Nachwendegeschichte. Arte zeigte den Film bereits im Frühjahr 2016, das ZDF bringt ihn jetzt noch einmal an diesem Donnerstag um 22.15 Uhr - exakt 25 Jahre nach der Randale.

Der 34-jährige Regisseur Burhan Qurbani hat sich des Themas angenommen und mit "Wir sind jung. Wird sind stark" ein Zwei-Stunden-Stück über einen Tag gedreht, der der Ausländerfeindlichkeit eine neue Dimension verlieh. Er beleuchtet den Angriff auf ein Asylbewerberheim aus verschiedenen Perspektiven und klagt dabei keinen der Beteiligten an. Es ist ein starkes Werk gegen das Vergessen, das angesichts der Pegida-Problematik in Deutschland von hoher Aktualität ist.

Im Mittelpunkt stehen Stefan (Nay), der weitgehend orientierungslose Sohn eines überforderten Lokalpolitikers (Devid Striesow) und Lien (Trang Le Hong), eine der mehr als 120 vietnamesischen Bewohner des Sonnenblumenhauses, die sich um Integration in die deutsche Gesellschaft bemüht. Sie ist davon überzeugt, dass der Mob, der sich seit Tagen vor dem Plattenbau bildet, nicht ihnen, den seit Jahren in der Hansestadt etablierten Vietnamesen, gefährlich werden kann. "Die greifen uns nicht an, sondern die Zigeuner", sagt Lien, während im Hintergrund die Radionachrichten von der "Front" direkt vor ihrem Haus laufen.

Im Nachbarhaus ist die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber aus dem Balkan untergebracht, die es vor den Wirren des Krieges an die Ostseeküste verschlagen hat. Aus der Not heraus campieren sie auf der Rasenfläche, verunreinigen zum Ärger der Anwohner die Umgebung mit ihren Exkrementen.

Die Akteure in dem düsteren und distanzierten Schwarz-Weiß-Film sind gut getroffen. Da sind die teils hilflosen zynischen Politiker, die der Meinung sind, dass die Eskalation von "oben" gewollt ist. Seit Monaten gebe es diese Konflikte. "In unserem kleinen Rostock wurde die Falle gelegt." Der Polizist, der die Lage in Lichtenhagen als Krieg bezeichnet und klagt: "Ich schicke meine Leute nackt ins Feuer."

Die namenlosen Einwohner, die die politische Wende nicht verkraftet haben, bekommen im Film genügend Raum. Sie sind der Meinung, dass jemand mal mit dem Schweinestall auf der Straße aufräumen muss. Nun stehen sie da in der Masse, teilweise sitzen sie in Campingstühlen vor dem Sonnenblumenhaus und schauen dem Mob zu.

Stefan zieht an diesem Tag mit seiner Gruppe durch die Gegend. Diese arbeitslosen jungen Erwachsenen lassen sich in der aufgeheizten Stimmung von Nazis treiben. Zauderer werden unter Druck gesetzt, es gilt das Gesetz des Stärkeren. Der Selbstmord eines Jungen lässt sie nicht innehalten.

Auch nach der Räumung der Aufnahmestelle geht die Randale weiter, der Mob wütet. Mittendrin Stefan und seine Kumpels. Brandsätze fliegen. Rund 120 Vietnamesen können sich in letzter Minute auf das Dach des Plattenbaus retten. Die Polizisten sind weg, die Medien nicht. Randalierer geben Interviews. Eine junge Frau sagt in die Kamera: "Ich brauche keine Freiheit, ich will Sicherheit."

Wir sind jung. Wir sind stark