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Streit Ultras/DFB geht weiter Erneute Fan-Kritik - Verbandschef als Zeuge

Wieder protestieren Fans in deutschen Stadien. Unterbrechungen gibt es kaum, Spruchbänder dagegen reichlich. Auch dort, wo der DFB-Chef den Sieg seines ehemaligen Clubs eigentlich genießen wollte.

Von Jens Marx und Christian Hollmann, dpa 06.03.2020, 23:01
David Inderlied
David Inderlied dpa

Berlin (dpa) - Fritz Keller kniff die Lippen zusammen. Was er beim Heimatbesuch im Stadion des SC Freiburg zu sehen und hören bekam, dürfte dem Chef des Deutschen Fußball-Bundes kaum gefallen haben. Einst gefeierter Präsident des Sport-Clubs, bekam er Unmut und Wut der Fans nun hautnah mit.

"Scheiß DFB", skandierten die Fanlager - sowohl aus Freiburg als auch vom 1. FC Union Berlin. "Eure Dialoge mehr Schein als Sein", wetterten die Fans per Plakat im Zoff mit dem größten Fachsportverband der Welt.

Seit September 2019 ist der 62 Jahre alte Keller der Chef des DFB, der auch an diesem Spieltag deutschlandweit wieder im Mittelpunkt der Kritik von Fußball-Anhängern stand. Mit erneuten Schmähplakaten, verbalen Attacken und harscher Kritik an den Funktionären sowie der ungeliebten Kollektivstrafe, die eigentlich als abgeschafft galt, verschafften sich die Fans diesmal kreativer Gehör als noch in der Vorwoche, als plumpe Beleidigungen unter anderem gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp zu mehreren Unterbrechungen führten.

Diesmal stand kein Spiel am Freitag und Samstag in der Bundesliga und 2. Bundesliga vor dem Abbruch, unterbrochen wurde ebenfalls nicht. Die Schiedsrichter hielten sich an die Maßgabe des DFB, der am Freitag erklärt hatte, dass auch beleidigende und grob unsportliche Kritik im Fanblock durchaus möglich sei, ohne dass die Referees einschreiten müssten.

Einzig in Jena in der 3. Liga schickte der Referee den FC Carl Zeiss und Gegner TSV 1860 München kurz nach dem Anpfiff in die Kabine, als wieder kritisch-beleidigende Plakate gegen das Fan-Feindbild Hopp, der auch als Symbol für die Kollektivstrafe herhalten muss, hochgehalten wurden.

Die Wortwahl war auch in anderen Stadien mitunter wieder deftig. Im Spiel des FC Schalke 04 gegen 1899 Hoffenheim nahmen sich die Anhänger der Königsblauen erneut Milliardär Hopp mit Bannern vor. "Wir entschuldigen uns bei allen Huren, sie mit Herrn Hopp in Verbindung gebracht zu haben", hieß es auf Spruchbändern der Schalker Fans. "Fußball-Mafia DFB", war auf einem Plakat im Gladbacher Fanblock gegen Borussia Dortmund zu lesen und auch das: "Der Präsident als Symbolfigur - Ein Verband im Keller".

Im Berliner Olympiastadion rollten die Fans in der Ostkurve gegen Werder Bremen ein Plakat mit der Aufschrift: "Schmiergelder, Kollektivstrafen, Tote in Katar - Wer die hässliche Fratze im Fußball ist, ist klar" aus. "Spieltagszerstückelung, Kollektivstrafen, Lügen - Ihr seid die Feinde des Fußballs", hieß es aus dem Block von Bayer Leverkusen beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Bei diesem Spiel war auch ein Fan zu sehen, der ein Leverkusen-Trikot mit der Nummer 10 und der Aufschrift "Dietmar Hopp" trug.

Die Fans ließen es drauf ankommen. Dass sie wieder protestieren würden, hatte der Zusammenschluss "Fanszenen in Deutschland" vor dem Wochenende klar gemacht und dabei den möglichen ersten Spielabbruch durch entsprechende Provokationen nicht ausgeschlossen. Die Sondersitzung der AG Fankulturen mit Vertretern des DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatte vor dem Spieltag die erhitzten Gemüter der Anhänger und dort vor allem der Ultras nicht wirklich beruhigen können, nachdem der Konflikt zwischen Funktionären und Fans vor gut einer Woche eskaliert war.

Fans des FC Bayern hatten Hopp beim Auswärtsspiel in Sinsheim mit Schmähplakaten angriffen. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch, mit 13 Minuten Ballgeschiebe hatten die Profis der beiden Clubs nach der zweiten Unterbrechung ein symbolisches Zeichen gegen den Hass aus dem Fanblock gesetzt. Auch die Partie des 1. FC Union gegen den VfL Wolfsburg war am Folgetag zweimal unterbrochen worden.

Der Zorn der Fans richtet sich dabei auf eine Entscheidung des DFB-Sportgerichts, nach der die Anhänger von Borussia Dortmund für zwei Jahre nicht ins Stadion bei Spielen gegen Hoffenheim dürfen. Eine Kollektivstrafe, die es nach einer Erklärung von Ex-Präsident Reinhard Grindel im Jahr 2017 eigentlich nicht mehr geben sollte. Seit geraumer Zeit schlagen die Fans im Kollektiv zurück.

Auch, weil der DFB erst im Fall der Schmähungen gegen Hopp rigoros durchgriff. "Rassismus im Stadion? Nie gehört! Korruption in den eigenen Reihen? Nie passiert! Beleidigung eines Premiumpartners? Zuschauerausschluss, Spielabbruch, Sippenhaft", hieß es auf einem Plakat beim Drittliga-Spiel 1. FC Kaiserslautern gegen SV Meppen in der FCK-Kurve. "Das Wort des Verbands ist nichts mehr wert, wenn der Premiumsponsor sich beschwert", hatten Fans des Hamburger SV mit dezentem Hinweis auf Hopp auf einer Banderole geschrieben.

Und in Freiburg, wo Keller den Sieg seines Sport-Clubs gegen die Hauptstädter nur bedingt genossen haben dürfte, schrieben Fans: "Zurück zu Kollektivstrafen. Rassismus relativiert. Bewusst eskaliert. Fritz Keller - nichts kapiert."

Recht- und Verfahrensordnung des DFB

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