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Ständiger Harndrang Was tun, wenn die Blase andauernd drückt?

Ein ständiger Harndrang mindert die Lebensqualität von Betroffenen. Das Leiden kann viele Ursachen haben - und manchmal gibt es dafür auch keinen Auslöser.

Von Sabine Meuter, dpa 25.09.2019, 03:34

Düsseldorf (dpa/tmn) - Es ist lästig. Doch eigentlich ist ein ständiger Druck auf der Blase - verbunden mit dem Bedürfnis, zur Toilette zu eilen - mehr als das. Es belastet. Selbst nachts müssen Betroffene raus aus dem Bett und Wasser lassen. Das mindert die Schlaf-, aber auch die Lebensqualität.

Manch einer verliert mitunter unkontrolliert Urin. Aus Scham ziehen sich viele zurück und reden noch nicht einmal mit ihrem Hausarzt über ihr Leiden. Dabei gibt es gute Therapien. "Wichtig ist, dass ein Gynäkologe oder ein Urologe eine sorgfältige Diagnose stellt", sagt Prof. Björn Lampe. Er ist Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf.

Unter ständigem Harndrang leiden nicht nur Frauen. Auch Männer kann es treffen. Die Beschwerden können in allen Lebensphasen auftreten. "Oft trifft es eher ältere Frauen", erklärt Prof. Christian Dannecker, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Augsburg.

Ein Symptom, viele mögliche Ursachen

Da ein ständiger Harndrang ein Hinweis auf Entzündungen wie eine der Blase sein kann, wird in der Regel als erstes der Urin untersucht. Ist der Urin in Ordnung, finden weitere Untersuchungen statt. "Ursachen für eine überaktive Blase können etwa auch Steine oder ein Tumor im Bereich der Blase sein", so Dannecker.

Nicht immer findet sich eine organische Ursache für den permanenten Harndrang. "Mitunter spielt die Psyche eine Rolle", berichtet Urologin Sonja Kukuk. Sie ist im Beckenbodenzentrum der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf tätig.

Auch psychische Gründe möglich

So können Stress im Alltag, Angst, Aufregung etwa vor einer Prüfung oder unverarbeitete Erlebnisse Auslöser für eine Reizblase sein. Dann hilft mitunter eine Psychotherapie. Das ständige "Müssen" kann auch Folge einer anderen Erkrankung wie etwa Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson sein. "Das Phänomen tritt mitunter bei Patienten in Folge einer Strahlentherapie auf", erläutert Lampe.

Ein permanenter Harndrang kann auch auf eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes Mellitus oder auf die Einnahme bestimmter Medikamente zurückzuführen sein. So sind nicht selten Wirkstoffe gegen Bluthochdruck Ursache für häufiges Wasserlassen. Bei älteren Patienten kann ein ständiger Druck auf der Blase an einer Herzschwäche liegen, die medikamentös behandelt werden kann.

"Möglich ist auch, dass eine Senkung der Gebärmutter oder des Beckenbodens zu einer Reizblase führt", sagt Anca Dizdar. Die Oberärztin ist Leiterin des Interdisziplinären Kontinenz- und Beckenbodenzentrum am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf. In einigen Fällen bleibt nach ihren Angaben die genaue Ursache für die Fehlregulation in der Blase komplett unklar.

Mit dem Miktions-Tagebuch auf Spurensuche

Was in jedem Fall aufschlussreich ist: Der Patient macht sich sein Trinkverhalten bewusst. Dafür führt er ein sogenanntes Miktions-Tagebuch. Das Wort "mictio" ist der lateinische Ausdruck für Wasserlassen. In dem Miktions-Tagebuch notiert der Patient mindestens zwei Tage lang über 24 Stunden seine Trinkmenge und die Häufigkeit seiner Toilettengänge.

Anhand der Aufzeichnungen kann der behandelnde Arzt schnell Auffälligkeiten erkennen. "Stellt sich dabei heraus, dass ein Patient nach 18 Uhr zwei Liter Flüssigkeit zu sich nimmt, dann ist die Ursache für den nächtlichen Harndrang klar", sagt Dizdar. Dann kann bereits eine Änderung des Trinkverhaltens eine Lösung sein.

Vielfältige Behandlungsoptionen

Aber längst nicht in allen Fällen ist die Behandlung einer überaktiven Blase so einfach. Eine Therapie-Möglichkeit: Ein Beckenbodentraining. Dabei lernt der Patient unter Anleitung eines Physiotherapeuten, den Beckenboden wahrzunehmen und dynamisch anzuspannen, aber auch zu entspannen.

"Begleitend erfolgt eine Analyse ungünstiger Trink- und Entleerungsgewohnheiten", erklärt Physiotherapeutin Petra Linkenbach aus Erlangen. Sie ist Referentin der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie und Proktologie im Deutschen Verband für Physiotherapie. Therapeut und Patient erarbeiten individuell Aufschubstrategien, um die Abstände zwischen den Toilettengängen zu verlängern.

Zusätzlich kann laut Dizdar eine Elektrostimulation helfen, die Muskeln des Beckenbodens zu stärken. Bei der Elektrostimulation wird ein stabförmiges Gerät ein- bis zweimal am Tag für rund 20 Minuten in die Scheide eingebracht, bei Männern geschieht dies über den After. "Bei Frauen in der Menopause hilft mitunter auch eine lokale Östrogen-Therapie", erklärt Dannecker. Dabei bekommt die Patientin Zäpfchen oder Salben für die Scheide verschrieben.

Manchmal hilft Botox

In vielen Fällen verordnet der behandelnde Arzt auch Medikamente gegen eine überaktive Blase. "Die Arzneimittel können aber auch zu Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Verstopfung führen", so Kukuk. Wirken weder Beckenbodentraining noch Medikamente, dann gibt es weitere Therapiemöglichkeiten.

"Sehr wirkungsvoll kann bei einer überaktiven Blase eine Botox-Gabe sein", sagt Lampe. Dabei spritzt der Arzt Botox in die Blasenwand, wodurch sich die Muskulatur dort entspannt. Die Wirkung hält über mehrere Monate an, dann muss die Injektion wiederholt werden.

In Frage kommen je nach Fall auch Operationen. Eine mögliche Option: Der Patient bekommt einen Blasenschrittmacher eingesetzt. Das ist ein Implantat, bei dem der Arzt Elektroden in das Becken des Patienten einführt - das Ziel: Die Nerven rund um die Blase durch elektrische Impulse zu beeinflussen.

Generell gilt: Wer vorbeugend etwas gegen eine überaktive Blase tun will, trainiert seinen Beckenboden. "Je früher damit begonnen wird, desto besser", so Linkenbach.