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Handball Magdeburger Schiri-Duo im WM-Einsatz

Vor der Handball-WM gab das Magdeburger Schiedsrichter-Duo Robert Schulze und Tobias Tönnies der Volksstimme noch ein großes Interview.

Von René Miller 13.01.2021, 00:01

Volksstimme: Bei der WM sollen die Schiedsrichter härter durchgreifen als in der Bundesliga. Auf was müssen die Spieler besonders achten, um Strafen zu vermeiden?

Robert Schulze: "Bei einer WM treffen verschiedene Handballkulturen aufeinander, verschiedene Systeme und auch Veranlagungen der Spieler. Unsere Herausforderung ist dabei, dass jeder Beteiligte klar nachvollziehen kann, was die Leitplanken des Erlaubten und Nichterlaubten sind. Dafür ist es wichtig, eindeutig in der Körpersprache und transparent in den Entscheidungen zu sein."

Tobias Tönnies: "Es gibt weniger Gelbe Karten, drei pro Team sind erlaubt. Eine klare Anweisung des Weltverbandes IHF ist es, die Gelben Karten sinnvoll einzusetzen. So wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit so sein, dass nach einem Torerfolg keine Gelben Karten mehr gezeigt werden, da dadurch die schnelle Mitte unterbrochen wird und wegen einer harmlosen Gelben Karte die Dynamik aus dem Spiel genommen werden würde."

Wie bereiten sich Schiris bei einem Turnier auf die Spiele vor? Bleibt da eigentlich genug Zeit, um zu studieren, mit welchen „Tricks“ der eine oder andere Spieler arbeitet?

Robert Schulze: "Gerade im taktischen Bereich ist bei einer Weltmeisterschaft die gezielte Vorbereitung sehr hilfreich für die Spielleitung."

Tobias Tönnies: "Sicherlich hat man bei einem Großturnier mehr Zeit, sich dem Thema Handball zu widmen. Jedoch gilt für uns immer eine Grundregel: Geh unvoreingenommen in ein Spiel, denn es geht bei null los."

Werden die geleiteten Spiele sofort ausgewertet oder fehlt dafür die Zeit? Und wie gehen Sie damit um, wenn Sie dabei sehen, vielleicht falsch entschieden zu haben?

Robert Schulze: "Durch die besondere Situation werden die Auswertungen in kleinem Kreis durchgeführt. Und wir haben eine Szenenplattform, wo von den jeweiligen Spieltagen besondere Situationen hineingestellt und bewertet sowie besprochen werden."

Tobias Tönnies: "Das morgendliche Meeting nach einem Spieltag dient immer der Spielanalysen vom Vortag. Hier werden Situationen besprochen und auch Tendenzen während eines Turniers aufgezeigt. Und wer sich entscheidet, Schiedsrichter zu werden, der muss auch mit Fehlern umgehen können."

Muss man sich angesichts der Corona-Beschränkungen als Schiedsrichter anders auf dieses Turnier vorbereiten?

Robert Schulze: "Schon vor dem Start des Turniers war die Aufwendung in Sachen Vorbereitung durch die Hygienebestimmungen enorm."

Tobias Tönnies: "Die Workshops fanden natürlich alle virtuell statt, anders als bei den vorherigen Turnieren, wo wir uns drei Tage gemeinsam an einem Ort getroffen hatten. Was in Ägypten auf uns zukommt, ist natürlich eine neue Herausforderung. Inwieweit das die Spielvorbereitung beeinträchtigt, kann ich noch gar nicht beurteilen."

Wie sieht denn die „Blase“ für Schiedsrichter aus? Kann man sich da sicherfühlen?

Tobias Tönnies: "Wir wurden bei der Ankunft am Flughafen getestet und im Anschluss gleich noch mal im Hotel. Von da an befinden wir uns in der sogenannten Blase und dürfen diese nur zu den Spielen verlassen. Ausflüge für touristische Zwecke sind da nicht drin."

Robert Schulze: "Als Welcome gab es direkt am Ankunftsgate die erste Testung, dann bei Ankunft im Hotel die Selbst-isolation bis zum ersten Ergebnis. Daher haben wir unseren ersten Meetingtag über Zoom strukturiert. Weitere Testungen folgen und es wird intensiv darauf geachtet und Aufwendung betrieben, hier clean zu bleiben in der Blase."

Wenn sich ein Spieler, Trainer oder Betreuer des deutschen Teams infiziert, wird er ausgeflogen. Welche Absprachen gibt es bei Schiedsrichtern?

Tobias Tönnies: "Das gilt auch für uns, das erfordert das Hygienekonzept der IHF und der lokalen Organisatoren."

In der Bundesliga wurde zuletzt in leeren Hallen gespielt. Macht es das für Schiris einfacher oder schwerer? Vor allem die Dialoge mit den Trainern sind ja nun deutlich zu hören …

Robert Schulze: "Wie für die Spieler und Trainer heißt es auch für uns, sich damit zu arrangieren und uns trotz der intensiv hörbaren Feedbacks auf das Wichtige zu konzentrieren. Und das sind Situationen sehen und bewerten – und weniger zu hören."

Tobias Tönnies: "Die Kommunikation auf dem Spielfeld hat sich dahingehend geändert, dass man nun sehr viel mehr mitbekommt, was der ein oder andere von sich gibt. Das erfordert natürlich auch ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl, nicht jede Emotion gleich zu sanktionieren. Denn davon lebt der Sport und sollte in gesundem Maße auch zugelassen werden."

Bei der WM ist für bestimmte Situationen der Videobeweis erlaubt. Sind Sie ein Verfechter davon oder eher Freunde von Tatsachenentscheidungen? Und würden Sie den Videobeweis auch für die Bundesliga befürworten?

Robert Schulze: "Bei der immer schneller werdenden Entwicklung unseres Sports sollte man jeder Unterstützung offen gegenübertreten. Es wird immer Situationen geben, wo wir als Schiedsrichter in einer Schlüsselszene nicht alles wahrnehmen können. Dabei eine Hilfe bei richtiger Anwendung zu bekommen, kann nur von Vorteil sein. Denn letztendlich geht es darum, die beste Entscheidung zu treffen. Der Videobeweis ist ein wichtiger Aspekt zur Weiterentwicklung unserer Sportart."

Tobias Tönnies: "Wenn ich ehrlich bin, war ich vor einigen Jahren bei der Einführung des Videobeweises schon ein wenig skeptisch. Meine Meinung hat sich definitiv geändert und bei richtiger Handhabung ist dies ein Hilfsmittel und kein störendes Element. Dennoch sollte man sich stets auf sein Können verlassen. Und meistens ist der erste Gedanke auch der richtige."