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Interview Blümel: „Sind in schwieriger Situation“

Sabine Blümel spricht über die Finanzlage der Stadt, das Klima im Stadtrat und ihre Gefühlslage vor dem Amtsantritt.

Von Alexander Walter 17.03.2016, 02:00

Frau Blümel, ein Jahr nach der Wahl stehen Sie nun als neue Bürgermeisterin von Salzwedel fest. Was ging in den vergangenen Tagen in Ihnen vor?
Sabine Blümel: Der Abschied als Großbetriebsprüferin in Stendal war von Emotionen geprägt, obwohl es ein gewollter Abschied war. Am Dienstag hatte ich meine letzte Ortschaftsratssitzung in Tylsen und ich verlasse die Fraktion Salzwedel Land. Wir befinden uns derzeit in einer schwierigen Lage. Ich bin motiviert, blicke durchweg positiv in die Zukunft und möchte gemeinsam mit allen unsere Stadt erfolgreich in die Zukunft führen.

Sie warnen seit Langem vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit Salzwedels. In den vergangenen Monaten wurden nun bereits etliche Spar- anstrengungen unternommen. Wie schlimm steht es heute noch um die Stadt?
Wir sind in der Vorstufe zur Zwangsverwaltung und haben eine Liquiditätshilfe über 1,7 Millionen Euro vom Land bekommen, die wir bis November 2017 zurückzahlen müssen. Danach schlägt das Finanzausgleichsgesetz mit voller Härte zu. Ganz nebenbei müssen wir auch noch 9,7 Millionen Euro Altfehlbeträge abbauen. Erlauben Sie mir aber eine gewisse Zeit der Bestandsaufnahme.

Wichtige Amtsleiter (Hauptamt und Kämmerei) fallen derzeit wegen Krankheit länger aus. Wie wollen Sie die anstehenden Probleme angesichts des Personalmangels angehen?
Ich verlasse mich da auf die Kompetenz der Mitarbeiter. Die Verwaltung funktioniert ja nicht nur über die Amtsleiter. Viel mehr kann ich derzeit zum Personal noch nicht sagen.

Kritiker haben im Wahlkampf vor einem Kaputtsparen ohne Visionen unter einer Bürgermeisterin Sabine Blümel gewarnt. Schon jetzt werden Stadtfeste nicht mehr bezuschusst, Ämter wurden zusammengelegt. Worauf müssen sich die Salzwedeler einstellen?
Ohne Visionen stimmt ja nun nicht. Ich will die Stadt auch nicht kaputtsparen, sondern ich habe gesagt, dass wir kein Geld haben. Und wenn ich kein Geld habe, kann ich nun mal nicht in den Urlaub fahren. Nur weil man Ämter zusammenlegt, spart man ja im Übrigen nicht automatisch Personal ein. Und wenn die Werbegemeinschaft sagt, sie kommt ohne Zuschüsse aus, dann muss man dieses Geld auch nicht ausgeben. Andererseits: Wenn es Projekte wie jetzt den Kletterpark gibt, sind wir voll dafür. Wenn es die Stadt nichts extra kostet, unterstützen wir das, beispielsweise logistisch.

Vor allem für Unternehmen und junge Menschen werden weiche Standortfaktoren wie Kultur-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten immer wichtiger. Wie wollen Sie Salzwedel trotz der nötigen Sparmaßnahmen attraktiv erhalten?
Indem wir die Sportstätten weiter so betreiben, wie sie sind. Das allein wird allerdings schon ein Kraftakt. Denn wir müssen erstmal zusehen, dass wir die Pflichtaufgaben (wie Katastrophenschutz und Kinderbetreuung, Anm. d. Redaktion) erfüllen und versuchen, keine der freiwilligen Aufgaben wegfallen zu lassen. Fällt eine freiwillige Aufgabe erstmal weg, ist sie verloren. Denn dann wäre sie eine sogenannte zusätzliche, freiwillige Aufgabe, die wir aktuell wohl nicht genehmigt bekommen würden.

Gibt es beim Sparen für Sie Tabus, die Sie keinesfalls antasten würden?
Nein, Tabus gibt es nicht. Alles kommt auf den Prüfstand.

Der Eigenbetrieb Kindertagesstätten rechnet für 2016 mit einem hohen Defizit. Grund sind zu geringe Betreuungspauschalen vom Land und gestiegene Personalkosten. Müssen sich Eltern auf steigende Kita-Beiträge einrichten?
Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen. Wir wissen nicht, wie das Land nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Kinderförderungsgesetz reagieren wird.

Sie kommen aus Tylsen, waren bis zuletzt Ortsbürgermeisterin. Salzwedel ist im Vergleich ein viel größerer Tanker mit vielen Verwaltungsmitarbeitern. Was wollen Sie aus Ihrem bisherigen Amt ins Rathaus mitnehmen, und was wird Ihre Philosophie als Chefin sein?
Das Miteinander. Ganz kurz und knapp. Alle müssen an einen Tisch und die Dinge besprechen. Ich bin sicher, wir haben ganz großes Potenzial.

Unter Andreas Vogel als kommissarischem Bürgermeister wurde das Klima zwischen Verwaltung und Politik, aber auch im Stadtrat deutlich harmonischer. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass das so bleibt?
Das geht nur gemeinsam. Es wird wichtig sein, die Stadträte mit vielen Informationen zu versorgen. Nur dann können richtige Entscheidungen getroffen werden. Herr Vogel und ich freuen uns aufeinander und wir werden uns in der Arbeit ergänzen. Er wird dabei vor allem den juristischen Part übernehmen.

Die Kommunalaufsicht prüft auf Bitten der Stadt die Rechtmäßigkeit der Auszahlung von 450 000 Euro städtischem Fördergeld als Drittmittel für die Sanierung des Kunsthauses. Mit der Jugendkirche ist ein weiteres Projekt in der Diskussion. Hat Ihre Amtsvorgängerin die Fördergeld-Zahlung an die Kunststiftung korrekt kommuniziert und abgerechnet?
Die Zahlungen sind aus meiner Sicht ohne Wissen des Stadtrates erfolgt. Von der Kämmerin ist damals klar gesagt worden, dass die Stadt keine Drittmittel bedienen wird und in den Haushaltsplänen findet sich keine Auszahlung. Deshalb liegt die Angelegenheit jetzt auch bei der Kommunalaufsicht zur Prüfung. Wie genau es gelaufen ist, kann ich allerdings erst sagen, wenn ich eine Bestandsaufnahme gemacht habe. Fest steht aber auch: Der Stadtrat kann nicht jede Position prüfen, sondern muss der Verwaltung auch Glauben schenken können.

Sie und ihre Fraktion galten früher als Befürworter eines Beitritts Salzwedels zum Zweckverband Breitband, der die Altmark mit schnellem Internet versorgen will. Jetzt rüsten Telekom und Co. auch in Salzwedel ihre Netze auf. Hat sich das Thema ZBA damit erledigt?
Wir selbst bleiben Befürworter der FTTH-Technologie (Glasfaser bis ins Haus, Anm. d. Redaktion). Der Stadtrat hat aber beschlossen, dem Verband nicht beizutreten, daran können wir nichts ändern. Jetzt, da Private ausbauen, liegt auch kein Marktversagen mehr vor. Deshalb wissen wir nicht, ob für die Pläne des ZBA noch Fördergeld fließen würde. Ich möchte jedenfalls auch weitere private Anbieter wie Vodafone ins Boot holen, um vor allem den unter jungen Leuten vorhandenen Bedarf an Funkinternet zu decken.

Am Donnerstag, 17. März, ihr erster Tag im Rathaus. Wissen Sie schon, was Sie tun werden?
Ja, na klar (lacht). Ich habe um 18 Uhr eine Beratung mit dem Eigenbetrieb KulTour, um 18 Uhr außerdem eine Einladung in die Berufsbildenden Schulen. Und am Mittag um 13 Uhr bin ich in Tangermünde eingeladen.

Wird es gar keine Vorstellungsrunde in der Verwaltung geben?
Doch, natürlich. Aber ich muss erstmal ankommen. Am Mittwoch vor Ostern ist dann das Gespräch mit den Verwaltungsmitarbeitern geplant.

Was wünschen Sie sich vom Salzwedeler Stadtrat?
Eine gute Zusammenarbeit, die erfolgreich in die Zukunft führt. Wir sind in einer schweren, aber lösbaren Situation.