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Jerichower Land „Wir müssen mit dem Wolf umgehen lernen“

Nutztierrisse und Wolfssichtungen haben sich im Jerichower Land gehäuft. Thomas Bich ist jetzt Wolfsbebeauftragter im Kreis.

Von Tobias Dachenhausen 25.08.2015, 11:00

Genthin/Burg l Erst vor etwas über einer Woche wurde ein Wolf in der Nähe eines Spielplatzes bei Dörnitz gesichtet. Zuvor wurden in den vergangenen Monaten Nutztiere bei Wüstenjerichow, Schopsdorf oder auch Gerwisch gerissen. Die Schlagzeilen zum Wolf reißen nicht ab. Aus diesem Grund hat sich der Landkreis dazu entschieden, mit Thomas Bich einen Wolfsbeauftragten zu berufen. „Ich sehe mich als Ansprechpartner für die Bürger, sammle Informationen und trage sie nach außen“, erklärt der 54-Jährige.

Seit der öffentlichen Bekanntgabe der Berufung des Wolfsbeauftragten steht das Telefon im Genthiner Büro von Thomas Bich nicht mehr still. Eltern wollen Informationen, Lehrer fragen, ob sie mit den Kindern noch in den Wald gehen können. Fragen, die Bich selbstverständlich beantwortet. Bei Bedarf berät er Landwirte, wie sie ihre Tiere besser schützen können. Oder macht eine Rissbegutachtung bei getöteten Nutztieren, um gegebenenfalls Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Weiterhin soll er mit einem sogenannten Monitoring die Lage im Jerichower Land unter Beobachtung halten. Er stellt Datenbanken zusammen, „um auch Entwicklungen festzustellen“, sagt er. Hauptsächlich kümmert sich aber weiterhin die Landesreferenzstelle um den Wolf. „Falls die Mitarbeiter aber gerade woanders tätig sind, springen wir ein. Wir wollten diese Lücke einfach schließen“, erklärt Bich.

„Der Wolf hat 100 Jahre hier nicht existiert. Es kann noch gar keine Experten geben.“

Seit über 20 Jahren arbeitet er in der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises. Er kümmert sich um den Artenschutz, hatte bereits mit Adlern, Störchen oder Großtrappen zu tun. Für seine neue Aufgabe hat er Schulungen zu Risserkennung oder Monitoring besucht. „Es lag nah, das Tier mit dem größten Schutzstatus in Europa auch bei mir mit einzuordnen“, begründet er seine Berufung zum Wolfsbeauftragten.

Und als dieser will er weitere Kenntnisse erlangen. „Der Wolf hat über 100 Jahre nicht hier gelebt. Es kann momentan keine Experten geben“, betont Bich. Dafür spricht, dass sich der Bestand der Wölfe in den vergangenen Jahren rasanter entwickelt hat als angenommen. „Der Wolf ist und bleibt ein Großraubwild. Man darf sich nicht verleiten lassen, ihn zu verharmlosen oder zu verniedlichen“, macht Bich deutlich. Generell hätten die Menschen aber verlernt, mit dem Wolf zu leben. „In Osteuropa geht man ganz anders mit der Situation um. Dort gibt es auch keine Angst und Panik“, verdeutlicht der 54-Jährige.

„Der Landkreis ist ein Wolfsgebiet mit mindestens zwei Rudel.“

In Osteuropa hätten sich die Landwirte sich mit dem Wolf oder anderem Raubwild arrangiert. Hier in Deutschland gibt die „Leitlinie Wolf“ Landwirten Ratschläge, wie sie ihre Nutztiere schützen können. „Wir wollen da natürlich weiter mit beraten. Für die Landwirtschaft bedeutet das ein Mehraufwand, beispielsweise Zäune aufzustellen. Das gilt es jetzt wieder zu lernen“, betont Bich. Eigeninitiative sei dadurch gefordert.

Vor fünf bis sechs Jahren wurde selten über den Wolf gesprochen, noch hat man ihn gesehen. Dann habe man sich über dessen Ansiedlung gefreut. Nun sei laut Bich die Stimmung etwas gekippt. Jäger beschweren sich über verminderte heimische Wildbestände, Landwirte klagen über gerissene Nutztiere. „Wir müssen uns bewusst machen, dass der Landkreis ein Wolfsgebiet mit mindestens zwei Rudel und einer unbekannten Anzahl an reviersuchenden Wölfen ist. Jederzeit können wir ihn antreffen“, betont Bich. Eine Gefahr für den Menschen kann der Wolfsbeauftragte dementsprechend nicht ausschließen. „Ich kann nicht sagen, dass er harmlos ist. Raubwild bleibt Raubwild“, macht der 54-Jährige deutlich.

Dennoch darf der Wolf nicht gejagt werden. „Er ist streng geschützt und daran müssen wir uns halten“, sagt Bich. Doch auch er weiß, dass das immer mehr in der Diskussion steht. „Ich bin dafür, dass wenn es Probleme mit dem Tier gibt, der Bestand reguliert werden darf“, sagt er. Die Möglichkeiten dazu müsse man sich einfach offen halten. „Nur weil ich Wolfsbeauftragter bin, muss ich kein Freund des Tieres sein. Ich finde es zwar faszinierend, stehe ihm insgesamt aber neutral gegenüber“, sagt Bich.