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Drama "Der Distelfink": Literaturverfilmung mit Nicole Kidman

Die Buchvorlage war mehr als 1000 Seiten dick und auch die Verfilmung kommt auf zweieinhalb Stunden Laufzeit: Aus Donna Tartts Bestseller wird ein üppiges Kinodrama mit vielen Stars.

Von Christian Fahrenbach, dpa 23.09.2019, 09:35

New York (dpa) - Die US-Amerikanerin Donna Tartt ist eine ungewöhnliche Autorin: Gleich ihr erster Roman "Die geheime Geschichte" war nach der Veröffentlichung 1992 ein Welterfolg und zählt auch heute noch für viele zum Kanon der besten Geschichten über das Erwachsenwerden.

Erst ein Jahrzehnt später erschien dann 2002 der Nachfolger "Der kleine Freund", lang erwartet, aber von Publikum und Kritik lauwarm aufgenommen. Es sollte erneut mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis ihr 2013 mit dem dritten Roman ein Comeback gelang: "Der Distelfink" wurde zwar vereinzelt als geschwätzig zerrissen, aber von viel mehr Menschen leidenschaftlich geliebt und 2014 auch mit dem Pulitzer-Preis belohnt. Jetzt startet in den deutschen Kinos eine Verfilmung.

Im Zentrum der Geschichte steht der junge Antiquitätenhändler Theo Decker (Ansel Elgort), der zu Beginn bedeutungsschwer aus dem Off ankündigt: "Wisst ihr, ihr Tod war meine Schuld. Jeder hat mir gesagt, dass er es nicht war, dass es ein furchtbarer Unfall war. Was auch alles komplett stimmt. Und ich glaube kein Wort davon." In Rückblenden erinnert er sich daran, wie er als 13-Jähriger mit seiner Mutter im New Yorker Metropolitan Museum einen Terroranschlag erlebte, bei dem sie starb.

Theo kommt bei der wohlhabenden Familie eines Freundes unter, die Mutter (Nicole Kidman) dort nimmt ihn auf wie ein eigenes Kind. Was sie nicht wissen, ist dass der Junge das kostbare Gemälde "Der Distelfink" des holländischen Altmeisters Carel Fabritius aus den Trümmern des Anschlags gestohlen hat. Immer wieder prägt dieser Schatz Theos Leben und führt ihn unter anderem in die Wüste Nevadas oder die Kanal-Landschaften in Amsterdam.

Wem selbst diese Zusammenfassung etwas willkürlich vorkommt, wird an der ambitionierten Mischung aus Terrordrama, Geschichte über das Heranwachsen und Kunstthriller kaum Freude finden. Außerdem kommt diese Verfilmung über satte zweieinhalb Stunden werksgetreu und schwerfällig daher, so dass es sich anfühlt, als erzähle jemand das Buch Seite für Seite nach. Besonders schade ist das, weil neben Tartt einige Kreative zusammengekommen sind, die ihr Können oft eindrucksvoll bewiesen haben.

Da ist zum einen Regisseur John Crowley, Indie-Liebling für sein Jugenddrama "Boy A", der zuletzt mit dem beeindruckenden "Brooklyn" bewiesen hatte, dass er sich auf stimmige Literatur-Verfilmungen mit eigener Bildsprache und universellem emotionalen Kern versteht. Auch Drehbuchautor Peter Straughan war mit John le Carrés "Dame, König, As, Spion" eine überzeugende Literaturadaption gelungen. Und die Darstellerriege des "Distelfink" spricht ohnehin für sich: Ansel Elgort ist nach "Baby Driver" auf dem Sprung zum Teenie-Star, dem gleichzeitig Anspruch und Popkultur gelingen; Nicole Kidman, Sarah Paulson und Jeffrey Wright in Nebenrollen bringen ebenfalls eine Schar glühender Anhänger mit. 

Am Ende aber ist "Der Distelfink" einer der Fälle, bei dem diese Zutaten kein schlüssige Ganzes ergeben. In schwerfälligen Dialogen unterhalten sich 13-Jährige darüber, was genau sie an den Glenn-Gould-Einspielungen von Beethoven mögen oder ob sie im Sommer Spaß am Segelurlaub gefunden haben. Obwohl der Film mit zweieinhalb Stunden schon ungewöhnlich lang ist, wird nur an wenigen Stellen die Tiefe des zugegebenermaßen mit 1.024 Seiten auch arg üppig geratenen Romans kaum erreicht. Wo aber im Buch einige Introspektiven Theos für Farbe und Mitgefühl sorgen, fehlen dem mäandernden Drama beherztere Schwerpunkte und mehr Mut zum Detail. 

Vereinzelt scheint in rührenden Momenten durch, wie viel stärker dieser Film sein könnte, wenn er seinen Stärken mehr trauen würde. Da sind große Themen wie Trauer, Täuschung und Heimat und da sind kluge Überlegungen, ob das Schicksal uns möglicherweise immer die Leute in unser Leben spült, die wir in diesem Moment brauchen. Woran halten wir uns fest und wie verlässlich sind diese Symbole wirklich? "Der Distelfink" ist der seltene Fall, der solche Fragen gleichzeitig zu ausgiebig und nicht engagiert genug erforscht. Das wiederum passt am Ende zum titelgebenden Gemälde, schließlich ist der Distelfink darauf auch an eine Stange gekettet und kann so nie richtig abheben.

- Der Distelfink, USA 2018, FSK ab 12, von John Crowley, mit Ansel Elgort, Oakes Fegley, Nicole Kidman, Jeffrey Wright, Sarah Paulson, Luke Wilson.

Trailer Distelfink