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Drama Feministisches Kino: "Niemals Selten Manchmal Immer"

US-Regisseurin Eliza Hittman erzählt in einem neuen Film, wie es sich anfühlt, als Frau aufzuwachsen. Das Drama heißt "Niemals Selten Manchmal Immer". Auch wenn man den Titel anfangs schwer behalten kann - nach dem Kinobesuch bleibt er garantiert im Kopf.

Von Julia Kilian, dpa 28.09.2020, 11:00

Berlin (dpa) - Zwischen den Frauen gibt es ein Stillschweigen. Autumn und Skylar arbeiten an der Supermarktkasse. Und wenn sie abends das Geld an ihren Chef weiterreichen, küsst er ihnen die Hände.

Die beiden lassen es über sich ergehen. Mit Szenen wie diesen erzählt US-Regisseurin Eliza Hittman viel über das Aufwachsen von Frauen. Ihr neuer Film heißt "Niemals Selten Manchmal Immer".

Das Drama lief auf dem Sundance Festival und gewann bei der diesjährigen Berlinale den Großen Preis der Jury. Nun kommt es ins Kino. Dass Hittmanns Film so überzeugend ist, hat einen einfachen Grund: Sie erklärt nicht groß, sie zeigt einfach.

Die 17-jährige Autumn (Sidney Flanigan) ist ungewollt schwanger. Man ahnt, dass in der Familie vieles schief läuft. In ihrer Heimatstadt in Pennsylvania sucht sie Hilfe bei einer Ärztin. Die Frau schaut sie erst vertrauensvoll an - und zeigt ihr später ein Video, in dem Abtreibung verteufelt wird. Daraufhin googelt Autumn nach Lösungen, prügelt auf ihren Bauch ein.

Mit ihrer Cousine Skylar (Talia Ryder) nimmt sie heimlich einen Bus nach New York, um dort die Möglichkeit zu einer Abtreibung zu haben. Reisen wie diese haben Hittman dazu bewogen, den Film zu machen. Es sind Geschichten von jungen Frauen, die noch heute manchmal lange fahren müssen, um ein Recht über ihren Körper zu haben.

Im Film schlagen sich die beiden jungen Frauen tagelang durch die Stadt. Sie harren in U-Bahn-Stationen und Spielhallen aus, weil ihnen das Geld für ein Hotel fehlt. Skylar hat auf der Busfahrt einen Typen kennengelernt. Sie fragen ihn später, ob er finanziell aushelfen kann. Er ist dazu bereit, klar, aber vorher soll Skylar doch mal mitkommen, zum Geldautomaten, alleine.

In der Entfernung macht er sich an die Cousine ran, küsst ihren Hals. Man ahnt: ein Tauschgeschäft. Autumn schleicht sich langsam an die beiden heran - und streckt ihre Hand aus. Sie berührt ihre Cousine und bleibt unentdeckt hinter ihr stehen.

Es sind stille Szenen wie diese, die das Mitleiden und die Solidarität unter Frauen, die sexuellen Grenzüberschreitungen im Alltag und den Kampf um Selbstbestimmung zeigen. Die ohne es klar zu benennen, etwas über Missbrauch und Frauenrechte erklären. Hört man sich in einem Raum voller Frauen um: Viele könnten davon erzählen.

Das Besondere an Hittmans Film ist die Schweigsamkeit der Hauptfiguren. Aus Teeniefilmen kennt man oft kichernde Mädchen, die sich locker über ihr Sexleben unterhalten. Aber die Realität sieht ja doch oft anders aus. Regisseurin Hittman und ihre Kamerafrau Hélène Louvart zeigen das in einfühlsamen, ehrlichen, blass-schönen Bildern.

In der New Yorker Klinik, die Autumn schließlich hilft, wird sie von einer Beraterin interviewt. Sie werde ihr einige Fragen zu ihren Beziehungen stellen, sagt sie. Es gibt mehrere Antwortmöglichkeiten: Niemals. Selten. Manchmal. Immer. Ob ihr Partner sie mal bedroht habe? Ob er sich geweigert habe, ein Kondom zu tragen? Ob der Partner sie zum Sex gezwungen habe? Oder zu etwas anderem, was sie nicht gewollt habe? Eine wichtige Szene für das feministische Kino.

Niemals Selten Manchmal Immer, Großbritannien/USA 2020, 102 Min., FSK ab 6, von Eliza Hittman, mit Sidney Flanigan, Talia Ryder, Théodore Pellerin, Sharon Van Etten

© dpa-infocom, dpa:200924-99-688465/4

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