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Sympathiekundgebung "Ganz große Oper": Ein Werbefilm für das Münchner Opernhaus

Fast 100 Prozent Auslastung, "Opernhaus des Jahres": Die Bayerische Staatsoper gehört zu den erfolgreichsten Opernhäusern Europas, wenn nicht weltweit. Eigentlich hätte sie also gar keine Werbung mehr nötig. Einem neuen Dokumentarfilm ist das aber egal.

Von Britta Schultejans, dpa 27.05.2017, 14:58

München (dpa) - Die Geschichte der Bayerischen Staatsoper ist eine Erfolgsgeschichte, keine Frage. Spätestens seit Dirigent Kirill Petrenko neben Opernintendant Nikolaus Bachler Generalmusikdirektor in München wurde, ist dort musikalisch ein goldenes Zeitalter angebrochen.

2014 erklärten die Kritiker der Zeitschrift "Opernwelt" die Staatsoper zum "Opernhaus des Jahres" - eine der höchsten Ehrungen in der Musikwelt. Petrenko wurde zweimal in Folge - 2014 und 2015 - "Dirigent des Jahres", sein Orchester wurde unter ihm sogar drei Mal in Folge ausgezeichnet. Und die Auslastung kratzt ohnehin seit Jahren an der 100-Prozent-Marke.

Nix zu Meckern also, dachte sich auch Toni Schmid, seines Zeichens Ministerialdirigent im bayerischen Kunstministerium und der Macher des Dokumentarfilms "Ganz große Oper", der nun in die Kinos kommt. Der Film stimmt einen Lobgesang an auf dieses goldene Zeitalter und soll eine "Liebeserklärung" an das renommierte Opernhaus sein. "Es ist eine Sympathiekundgebung für die Oper", sagt Schmid, der eigentlich 2015 in den Ruhestand gehen wollte, der Deutschen Presse-Agentur. "Gerade in München, wo die Menschen total opernverrückt sind."

Für die Fans gibt es einen Blick hinter die Kulissen, in den Fundus, auf die Umbauarbeiten auf der Bühne, in die Künstler-Garderobe. Und der Zuschauer erfährt, dass die Bratscher die einzige Instrumentengruppe im Staatsorchester sind, die sich einmal im Monat zum Stammtisch treffen. Ansonsten reihen sich Proben- und Bühnenszenen an verschiedene Interviews mit Größen wie Star-Tenor Jonas Kaufmann und Sopranistin Anja Harteros. Und der frühere Generalmusikdirektor Zubin Mehta erzählt: "Es muss nicht sein, aber eine gute indische Mahlzeit nach einem "Tannhäuser" ess' ich sehr gerne."

Das ist nett, eine wirkliche Geschichte erzählt der Film aber leider nicht. Dabei hätte es durchaus Ansätze gegeben, die zu verfolgen sich wahrscheinlich gelohnt hätten. Die Geschichte von Charles Maxwell zum Beispiel, dem "Vorderhausmanager" der Oper, der laut Stellenbeschreibung unter anderem dafür verantwortlich ist, dass die Ticketkontrollen richtig ablaufen und der den Mitarbeitern an der Garderobe auf die Finger schaut.

Vor Jahren, so erzählt er, kam er als Countertenor aus New York nach München, auf eine Musikkarriere hoffend. "Ich wünsche mir, dass ich auf der Bühne wieder stehen könnte", sagt er. "Vielleicht kommt meine Chance, ich weiß es nicht. Ich vermisse es. Die Liebe zur Musik bleibt immer." Mehr erfährt der Zuschauer leider nicht über ihn.

Dafür kommt immer wieder der Österreicher Bachler zu Wort, dessen Theaterphilosophie mal künstlerisch, mal eher pragmatisch daherkommt: "Ich bin ja der Meinung, dass ein Theater keine Bürgerinitiative ist. (...) Man hat dann das Stück zum Baumsterben", sagt er zum Beispiel. Oder: "Ich bin kein protestantisch-deutscher Ideologe. Ich will die Leute nicht erziehen. Ich habe die Leute lieber glücklich als unglücklich."

Glückliche Leute zahlen mutmaßlich auch lieber die Preise von im Höchstfall ein paar Hundert Euro pro Karte, die einst selbst einen Opernregisseur, der gerne ein paar Leute zu seiner Premiere eingeladen hätte, schockierten.

Solche Töne findet man im Film freilich nicht. Schmid verzichtet großmütig auf einen Blick von außen. Die Interviewpartner, die nicht bei der Oper fest angestellt sind, sind ihr - wie Kaufmann, Harteros und Mehta - seit Jahren beruflich (und finanziell) verbunden. Ex-Intendant Peter Jonas hat verständlicherweise ebenfalls einen sehr liebevollen Blick auf das Opernhaus, das er jahrelang führte: "Ich liebe dieses Haus." Bachler darf sogar ganz hemmungslos werben: "Wir haben 45 verschiedene Opern-Titel: Das ist natürlich ein Angebot an eine Kulturlandschaft, das unverzichtbar ist."

Dafür fehlt auch der Blick in die Zukunft, in der Tenor Kaufmann - nicht im Film, aber in einem Interview - eine "prekäre Situation" für die Staatsoper befürchtet. Das Erfolgsduo Petrenko und Bachler wird das Haus 2021 verlassen. Wer danach kommt, ist noch ungewiss.

Filmemacher Schmid wird die Antwort auf diese Frage voraussichtlich als Erster wissen. Hat er doch im Kunstministerium seit 18 Jahren im Grunde jede wichtige Personalentscheidung am Opernhaus mitgetragen, wenn nicht verantwortet. Derzeit ist er dabei, ein Nachfolge-Gespann zu finden. Noch in diesem Jahr soll bekanntgegeben werden, wer es macht. Schmids Hintergrund erklärt wohl auch die etwas distanzlose Herangehensweise an seinen Film. Denn dass er sich selbst und seiner Personalauswahl ein - wenn auch verdientes - wohlwollendes Zeugnis ausstellt, dürfte nicht überraschen.

Stellenbeschreibung "Vorderhausmanager" auf buehnenjobs.de

Preisliste der Bayerischen Staatsoper