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Polit-Thriller "Nile Hilton Affäre": Ein Land im Umbruch

Ein düsteres, ein desolates Ägypten unmittelbar vor den revolutionären Geschehnissen des Jahres 2011. Dazu ein rätselhafter Mord in einem feinen Hotel, der die Hauptfigur über 110 Filmminuten nicht mehr loslässt.

Von Matthias von Viereck, dpa 02.10.2017, 08:35

Berlin (dpa) - Im Winter vor sieben Jahren nahmen in Ländern wie etwa Tunesien die Proteste des sogenannten Arabischen Frühlings ihren Anfang. "Die Nile Hilton Affäre" nun ist ein Film, der uns in genau diese Zeit führt: Es geht ins Ägypten am Vorabend der Proteste rund um den Tahrir-Platz in Kairo.

Der knapp zweistündige Polit-Thriller aber zeichnet nicht nur das Bild eines in Aufruhr versetzten Landes; es geht auch um einen mysteriösen Mordfall in einem Luxushotel und einen Polizisten, den eben dieser Mord einfach nicht mehr loslässt.

Regie führte Tarik Saleh, der ägyptischer Abstammung ist, jedoch in Schweden geboren wurde. In der beeindruckenden Hauptrolle zu sehen ist der Schauspieler Fares Fares, den man aus den Verfilmungen der Jussi Adler-Olsen Romane "Erbarmen", "Schändung" und "Erlösung" kennt und der auch in Produktionen wie Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" mitgespielt hat.

Zu Beginn des Films, wir schreiben den 15. Januar 2011, ist Hosni Mubarak auf einem TV-Gerät zu sehen - nur wenige Wochen bevor der ägyptische Staatspräsident zurücktreten wird. Bald darauf geht es in ein schickes Hotel, das titelgebende "Nile Hilton" in Kairo: Eine hübsche junge Frau liegt tot in einem der Zimmer, Polizisten scharren sich um die Leiche, einer von ihnen bestellt sich erst mal einen Krabben-Cocktail. Unter den anwesenden Beamten ist auch Noredin, ein junger, und doch vom Leben schon gehörig durchgerüttelter Polizist: Seine Frau hat er bei einem Unfall verloren.

Bei der Leiche im Hotel handelt es sich um einen arabischen Popstar, genannt Lalena. Eine junge Sudanesin konnte den Mörder beobachten; die Afrikanerin aber, die illegal in Ägypten ist, macht sich schnell aus dem Staub. Und kaum hat Noredin sich des äußerst seltsamen Falls angenommen, da wird die Akte auch schon geschlossen: Lalena, so heißt es offiziell, habe sich selbst das Leben genommen. Noredin weiß, dass dem nicht so ist, und so ermittelt der Polizist eben fortan eigenhändig. Ohne zunächst zu ahnen, wer alles in die "Nile Hilton Affäre" verstrickt ist.

Es gibt kaum eine Szene in diesem Film, die nicht damit beginnt, dass sich der wunderbare Hauptdarsteller eine Zigarette in den Mund steckt, um sie daraufhin anzuzünden. Fares Fares, der im Libanon aufwuchs und nach Schweden zog als er 14 Jahre alt war, verkörpert seinen ägyptischen Polizisten auf eine zu jeder Sekunde faszinierende Art.

Sein markantes Gesicht mit der übergroßen Nase, das tiefschwarze, stets glänzende Haar, die Schrottkarre von einem Auto, die er sein Eigen nennt, die verführerischen Frauen, die ihn umgeben, die vielen Zigaretten: All das trägt dazu bei, dass man sich ein ums andere Mal weniger in Kairo, denn in einer amerikanischen Großstadt etwa der 1940er Jahre wähnt.

Das dunkle Setting, fast nie ist die Sonne zu sehen, trägt dazu bei, dass man sich an amerikanische Kriminalwerke des Genres Film noir erinnert fühlt. Zugleich mutet das Leinwandgeschehen fast wie eine Dokumentation an. Was daran liegen mag, dass, vom Hauptdarsteller abgesehen, alle Schauspieler, die hier Ägypter verkörpern auch tatsächlich aus Ägypten stammen. Sie haben, so heißt es, die revolutionären Ereignisse des Jahres 2011 selbst miterlebt.

Zwischen den amerikanischen Großproduktionen, die das hiesige Kinoprogramm auf der einen Seite und den vielen kleineren, zumeist deutschen Arthouse-Filmen, die das Angebot auf der anderen Seite dominieren, hat dieses Werk fast schon so etwas wie eine Sonderstellung inne: "Die Nile Hilton Affäre" ist so spannend wie intelligent, so eingängig (und fast massenkompatibel) wie hintersinnig. Ein Film, der wohl bei Krimi- und oder Thriller-Fans genauso punkten wird wie etwa bei Kinobesuchern, die sich für Politik oder Historie begeistern.

Die "Hilton Affäre" erzählt nicht nur einiges über ein Land am Rande des Zusammenbruchs, ein Land am Vorabend einer Revolution; sie tut dies auch mit ungemein einnehmenden Mitteln. Und so überrascht es denn auch keineswegs, dass die schwedisch-deutsch-dänische Koproduktion beim renommierten Sundance Film Festival im US-Bundesstaat Utah mit dem "World Cinema Grand Jury Prize" in der Kategorie "Dramatic" ausgezeichnet wurde.

Die Nile Hilton Affäre, Schweden/Deutschland/Dänemark 2017, 110 Min., FSK ab 12, von Tarik Saleh, mit Fares Fares, Yaser Maher, Mari Malek

Die Nile Hilton Affäre