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Mini-Bordelle Gestrandet im Lovemobil: Doku über Prostituierte am Waldrand

Zwischen Spargelfeldern und Windrädern bieten in der deutschen Provinz Frauen in Wohnwagen Sexdienste an. Viele von ihnen kommen aus Osteuropa. Elke Margarete Lehrenkrauss gibt in dem Film "Lovemobil" einen emotionalen und verstörenden Einblick in die Szene.

Von Christina Sticht, dpa 03.03.2020, 10:27

Hannover (dpa) - Wer in Niedersachsen auf Landstraßen unterwegs ist, kennt die Lovemobile, die auf einsamen Parkplätzen oder an Waldwegen stehen. Manchmal leuchtet ein Herz am Fenster der Campingwagen, zuweilen sieht man beim Vorbeifahren eine Frau in knappem BH auf dem Fahrersitz warten.

Der Dokumentarfilm "Lovemobil" zeigt, welche Schicksale sich hinter den Türen der Lovemobile verbergen - häufig sind es Frauen aus Osteuropa oder Afrika, die hier Sexdienste für wenige Euroscheine anbieten. Elke Margarete Lehrenkrauss hat vier Jahre an dem Film gearbeitet, der bereits auf internationalen Festivals gefeiert wurde und jetzt im Kino zu sehen ist.

"Lovemobil" ist keine journalistische Doku, bei der es um Daten und Fakten zu Menschenhandel und Organisierter Kriminalität geht. Der Film ist trotz des Themas nicht voyeuristisch, vielmehr ein sensibles Porträt auf Augenhöhe ohne moralischen Zeigefinger. Im Mittelpunkt stehen Rita aus Nigeria und Milena aus Bulgarien, beide Anfang 20, sowie die weit ältere Vermieterin ihrer Lovemobile, Uschi.

Die ehemalige Prostituierte ist mal eiskalte Geschäftsfrau, wenn sie die tägliche Miete von 70 Euro kassiert. In anderen Situationen erscheint sie beinahe wie eine mütterliche Freundin. So hört sie Rita zu, weil die sich in einen Freier verguckt hat und enttäuscht wird.

Die in Berlin lebende Regisseurin stammt selbst aus Gifhorn in der niedersächsischen Provinz und kennt die Lovemobile seit ihrer Kindheit. Warum so viele davon in Niedersachsen stehen, hat sie während der Recherchen nicht herausgefunden. Aber auch in der Umgebung von Köln oder in Bayern gibt es ihr zufolge diese Art von Mini-Bordellen zwischen Ackerflächen, Spargelfeldern und Windrädern.

"Die Frauen sitzen dort nicht angekettet, aber sie sind auch nicht freiwillig da. Sie sind in einer Zwischenwelt gefangen", sagt Lehrenkrauss. "Es ist nicht nur ein Film über Prostitution. Es geht um Machtstrukturen und Kapitalismus." Vermieterin Uschi bestellt am Telefon ein neues Mädchen in Italien, als wäre es eine x-beliebige Ware. Für die Kunden sei es kein Unterschied, ob sie zu ihr gehen oder in den Supermarkt, sagt Rita einmal. "Es ist, als ob sie vergessen, dass man auch ein Mensch ist." Viele Freier ließen sich sogar beim Sex bereitwillig filmen, wie die Regisseurin erzählt. Explizite Szenen zeigt sie aber nicht.

Der Film vermittelt den Zuschauern, wie es sich anfühlt, wenn man nachts allein im Lovemobil sitzt und die Autos vorbeirauschen. Dass tagsüber oft Langeweile herrscht, die man sich mit Serienschauen auf dem Smartphone vertreiben kann. Zuweilen schaut eine Kollegin vorbei und die Frauen tratschen über Kunden. "Lovemobil" enthält trotz aller Traurigkeit auch skurrile und komische Momente.

Zwar sind die Frauen selbstständig und können an die Tür klopfende Freier auch abweisen, etwa indem sie einen völlig überhöhten Preis verlangen. Jedoch ist das Anschaffen an den einsamen Orten gefährlich. "Während unseres Drehs sind zwei Morde passiert", erzählt Lehrenkrauss. Rita aus Nigeria vermutet, dass vielleicht böse Geister aus dem nahen Wald einen Mann dazu gebracht haben, eine russische Kollegin zu töten, die Mutter eines kleinen Sohnes war. Sie fragt sich, ob sie die nächste sein wird: "Niemand würde mich beerdigen. Ich wäre nur eine weitere tote nigerianische Prostituierte."

Lovemobil