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Theater Magdeburg "Wir haben einen Kulturauftrag"

Das Theater Magdeburg steht vor seiner neuen Spielzeit. Karen Stone über den Auftakt mit Verdi, Auftragswerke und Koproduktionen.

28.08.2015, 23:01

Volksstimme: Frau Stone, Sie müssen mit Blick auf die Auslastungszahlen Ihres Hauses entspannt in den Urlaub gegangen sein.

Karen Stone: 173 596 Besucher in der vergangenen Spielzeit mit einer Auslastung von 83,84 Prozent für das gesamte Haus sind toll. Das Schauspielhaus kommt auf eine Rekordauslastung von 88,49 Prozent. Man sieht an den Zahlen, dass das Theater einen wichtigen Platz in der Stadt hat. Das freut mich sehr. Aber mein Wunsch bleibt, dass jeder, der hier wohnt, einmal im Jahr ins Theater geht.

Mit einer Inszenierung von Ihnen startet die neue Spielzeit. Sie haben sich für Verdi entschieden. Warum dessen Oper „Ein Maskenball“?

Verdi ist großartig und das Stück gefällt mir. Ich mag „Rigoletto“ auch sehr, wollte aber keine Liebesgeschichte um ein junges, unerfahrenes Mädchen. „Der Maskenball“ hat einen politischen Kontext, der entscheidend für das Privatleben der Figuren wird. Hintergrund ist der Tod des schwedischen Königs Gustav III., der 1792 bei einem Maskenball ermordet wurde. Verdi hat sich des Themas angenommen, er war ja stark politisch engagiert. Er zeigt ein Staatsoberhaupt, das man sich so nicht wünscht. Die Gästeliste des Balls ist nämlich wichtiger als die Politik. Zudem flirtet er ausgerechnet mit der Frau seines besten Freundes Renato. Amelia ist also eine Frau mit Kind, die Ehebruch begeht.

Ehebruch, Ernsthaftigkeit der Politik. Wie heutig wird Ihre Inszenierung?

Wir transportieren sie in unsere Zeit und interpretieren sie vor dem Hintergrund der ehemaligen Sowjetunion und jener Länder, in denen es Diktatoren gibt, die sich wie Fürsten fühlen. Sie bauen sich riesige Paläste und erlauben sich alles Mögliche. Macht korrumpiert. Das wollen wir zeigen.

Wird Ihr „Maskenball“ trotzdem ein Kostümfest?

Ja natürlich. Auf einen Ball gehen Leute, und die sind wunderbar angezogen. Das ist auch bei uns auf der Bühne so.

Blicken wir weiter auf die Spielzeit. Sie geben mit der Kammeroper „Die Andere“ erneut eine Komposition in Auftrag. Warum?

„Der Prozess“ von Philipp Glass in Zusammenarbeit mit Theatern in Wales und London war unser erster Kompositionsauftrag und ein Erfolg für unser Haus. Solch ein Stück erfährt Aufmerksamkeit, nicht nur in Deutschland, auch im Ausland. Die Compagnie ist mit der Inszenierung im Oktober auf ein Festival im rumänischen Crai­ova eingeladen.

Jetzt haben Sie den amerikanischen Komponisten Sidney Corbett beauftragt. Das Libretto schreibt Christoph Hein. Es wird eine Uraufführung. Erwarten Sie eine ähnliche Aufmerksamkeit?

Die erhoffen wir uns, aber darum geht es nicht alleine. Im 19. Jahrhundert waren 90 Prozent der Werke Uraufführungen. Heute sind es nur wenige. Ich denke, wir haben auch einen Kulturauftrag: einer nächsten Generation von Künstlern, Komponisten und Schriftstellern eine Chance zu geben. Der junge Richard Wagner war in Magdeburg Kapellmeister und führte hier seine erste Oper „Das Liebesverbot“ auf. Sie kam nicht an und wurde nach der ersten Vorstellung abgesetzt. Aber zum Glück hat es den damaligen Intendanten nicht zurückgehalten, junge Komponisten wie Wagner zu fördern.

Christoph Hein bringt man mit Büchern in Verbindung, weniger mit einer Oper. Sie wollen neugierig machen?

Genau. Sidney Corbett kenne ich schon lange, er hat auch mit Christoph Hein bereits zusammengearbeitet. Vielleicht gelingt es uns, dass diese Kammeroper nach Magdeburg auf anderen Bühnen in Deutschland gezeigt wird. Wichtig ist uns, die Oper lebendig und spannend zu machen und neue Themen zu setzen. Natürlich wollen wir auch nach außen hin damit bekannt werden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kam im Frühjahr, weil wir die Oper „Die Braut von Messina“ wiederentdeckt haben. Die kommt nicht, wenn wir „La Bohème“ machen.

„Die Braut von Messina“ stand mit fünf Aufführungen auf dem Spielplan. Was sagen Sie Kritikern, die meinen, dass der Produktionsaufwand viel zu hoch ist?

Unser Kulturauftrag ist vielseitig. Wir zeigen die „Rocky Horror Show“ auf dem Domplatz und haben viele Tausende Zuschauer. Wir inszenieren eine Kinderoper und 3000 Mädchen und Jungen sehen sie. Diese Spielzeit nehmen wir „Das Tagebuch der Anne Frank“ auf den Spielplan, zeigen aber auch die Operette „Pariser Leben“ von Jacques Offenbach und das Musical „Ein Käfig voller Narren“. Wir wollen unser Publikum fordern, ihm immer wieder Neues bieten. Dazu gehören zum Beispiel auch drei Uraufführungen der Ballett-Compagnie und die Uraufführung von „Kruso“ am Schauspiel. Diese Vielfalt zeichnet deutsches Stadttheater aus.

Sie führen Ihre internationalen Koproduktionen fort und planen in Zusammenarbeit mit der Nederlandse Reisopera die Oper „Die tote Stadt“. Welche Vorteile bringen solche Kooperationen?

Man teilt sich die Arbeit, beauftragt gemeinsam Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner. Das Haus in Enschede hat keine eigenen Werkstätten. Wir bauen, Enschede bezahlt dafür das Material. Es ist aber nicht nur eine Kostenfrage: Wir sind auch stolz, wenn das Stück dann in Holland gespielt wird. Ich sehe das Theater als einen kleinen Baustein für eine positive Wahrnehmung Magdeburgs im Ausland.

Seit Jahren schon kooperiert das Theater mit den Telemann-Festtagen, in diesem Jahr gab es erstmals eine Zusammenarbeit mit dem Kurt-Weill-Fest in Dessau. Wird beides fortgesetzt?

Aber ja. Zu den 23. Magdeburger Telemann-Festtagen steht die Oper „Damon“ unter Leitung von David Stern auf dem Programm. Zum zweiten Mal kommt dafür das französische Barock-Ensemble „Opera Fuoco“ nach Magdeburg. Das wird großartig. Auch mit dem Weill-Fest arbeiten wir wieder zusammen und planen gemeinsam mit dem Opernchor des Anhaltischen Theaters Dessau das „Verdi Requiem“. In einem anderen Projekt wird dafür unser Chor in Dessau auftreten. Wir müssen für solche Großprojekte zusammenarbeiten. Das ist ein Geben und Nehmen, vor allem aber eine Bereicherung für unser Publikum.