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Ballett Tanz ist ein bisschen wie Fußball

Grit Warnat im Gespräch mit Ballettchef Gonzalo Galguera über„Stabat Mater“ am Magdeburger Theater.

25.09.2015, 23:01

Volksstimme: Was hat Sie bewogen, dem Publikum einen mittelalterlichen Text zu präsentieren?

Gonzalo Galguera: Es ist der Mensch mit seiner Spiritualität. Wir sind denkende Wesen, wir fühlen und spüren, wir haben eine Intuition. Wir haben eine tiefe Erkenntnis, dass wir mit Sachen zu tun haben, die nicht real sind, die jenseits unserer Vernunft stehen. Als Menschen sind wir nicht nur rational gesteuert: Ich kann ein Bild betrachten, ein Gedicht lesen, Musik hören, einen Film sehen, aber jeder spürt es anders. Ich glaube, Kunst hat etwas mit spirituellen Prozessen zu tun.

Welche Rolle spielt das Ballett?

Natürlich eine große! Ich komme in den Ballettsaal, ich probe, ich erlebe etwas, ich teile Geheimnisse mit den Tänzern, den Darstellern. Wenn diese Kommunikation da ist, ist man spirituell geladen. Dann entstehen die Aussagen. Wir reflektieren, beobachten, denken nach. Das fasziniert mich.

„Schauen wir in die Welt, überall finden wir ein Bild von Stabat Mater.“

Wie nähern Sie sich solch einer Uraufführung?

Zuerst steht die Idee, was ich unbedingt loswerden will. Ich komme nicht mit fertigen Bewegungen und Aktionen in die ersten Proben. Es sind Bausteine, dann beginnt man zu entwerfen. Ich habe am Anfang nur eine Ahnung, wo das Licht am Ende des Tunnels sein könnte.

Es gibt viele Vertonungen von „Stabat Mater“ in der Musikliteratur. Sie haben sich für Rossini entschieden. Warum?

Rossini hat für mich eine ganz besondere Faszination, weil er sich von der liturgischen Strenge löst, sich emanzipiert und einen sehr theatralischen Kosmos entwirft. Er verlässt den liturgischen Raum und transportiert den Zuhörer in einen theatralischen Raum. Rossinis Musik ist dabei sehr dicht, sehr monumental und für die Zeit, in der „Stabat Mater“ entstanden ist, fast am innovativsten von allen.

Der Text stammt aus dem Mittelalter. Was sagt er uns heute?

Natürlich gibt es die religiöse Sicht um Maria, Jesus, die Kreuzigung. Es gibt aber auch Zeitloses wie das Verhältnis Mutter und Sohn, Schmerz, Verlust, Trauer. Wir sehen das Stück aus der Perspektive einer Mutter, die um ihren Sohn weint. Schauen wir in die Welt, überall finden wir ein Bild von „Stabat Mater“.

Sie sind gläubiger Christ. Das sind nur wenige Magdeburger. Was sagt Ihr Publikum zu religiösen Ballettabenden?

Die Erfahrungen waren immer sehr positiv, aber ich werde schon manchmal gefragt: Etwas Religiöses? Wissen Sie, keinen würde es schocken, wenn es Sex auf der Bühne gäbe, das wäre normal. Man muss sich eher rechtfertigen, über Gott zu reden.

Ich will den Betrachter nicht überfordern, ich setze auf seine Fantasie, seine Emotionen. Tanz funktioniert ein bisschen wie Fußball. Der ist hochemotional. Wir freuen uns mit einer Mannschaft, über ein Tor, ärgern uns über eine rote Karte, leben diesen Fußball. Auch Leute, die wenig davon verstehen, fiebern mit, sind emotional dabei. Im Ballett ist es auch so.

Eine Uraufführung ist viel Arbeit. Warum gestalten Sie auch noch das Bühnenbild?

Der Wunsch war schon lange da, meinen eigenen Raum zu entwickeln. Ich wollte eine Einheit haben, eine eigene Welt, in der ich mich komplett mit der Sprache identifizieren kann, die ich ausgesucht habe. Tanz ist Sprache. Auch Bühne ist Sprache. Deswegen starte ich keine Karriere als Bühnenbildner. Aber es hat Spaß gemacht.

„Ich starte keine Karriere als Bühnenbildner.“

Wie wird Ihre Bühnenwelt aussehen?

Wir sind heute sehr medial geprägt, wir bekommen durch das Auge Inhalt geboten. Ich greife das auf, habe mich für Videoprojektionen entschieden. Dafür habe ich mit einem Freund, einem Mailänder Videokünstler zusammengearbeitet. Jede Arie, jedes Bild hat ein eigenes Filmkonzept. Das ist sehr anspruchsvoll gewesen.

Herausforderung ist es sicher wieder, mit Chor und Solisten zu arbeiten?

Bei „Heilig“ hat mir das schon großen Spaß gemacht. Es ist schön, mit Massen zu arbeiten. Tanz löst Emotionen aus. Ein Chor auch. Er gibt eine große Kraft und wunderbare Verbindlichkeit.

Wie emotional wird der Ballettabend?

Sehr emotional.

Premiere der Uraufführung von „Stabat Mater“ am 3. Oktober, 19.30 Uhr, im Opernhaus. Weitere Vorstellungen: 8. Oktober, 16 Uhr, 23. Oktober und 8. November, jeweils 19.30 Uhr.