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Theater Wer Kinder hat, kennt diese Angst

Susanne Knapp inszeniert am Nordharzer Städtebundtheater Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“.

Von Grit Warnat 30.10.2015, 00:01

Frau Knapp, „Rigoletto“ brachte Verdi Weltruhm als Opernkomponist. Warum?

Susanne Knapp: Verdis Musik ist Musik für das Theater, für die Bühne. Sie ist unglaublich szenisch gedacht und komponiert. Seine Gewittermusik beispielsweise ist fast filmisch. Er komponiert regelrecht Bilder. Und Verdi ist unglaublich gnadenlos. Die Sachen, die er erzählen will, erzählt er sehr kompromisslos. Er redet nicht drumherum, er kommt auf den Punkt. Er drückt etwas aus, das ganz stark mit menschlichen Impulsen zu tun hat. Ich denke, deshalb fühlt man sich von dieser Musik so angesprochen.

Von den Geschichten aber auch.

Natürlich. Seine Opern-Storys sind stark. Rigoletto ist ein Hofnarr mit zwei Gesichtern, der in einer dekadenten Hofgesellschaft lebt, immer am Rand der Gesellschaft, und versucht, seine Tochter vor dieser nach Frauen gierenden Gesellschaft zu schützen. Das geht schief, letzlich ist Rigoletto am Mord an seiner Tochter beteiligt.

Es ist eine Welt voller Einsamkeit und Düsternis. Wie düster ist die Oper für Sie?

Sehr düster, dunkel, böse und zutiefst traurig. Wir haben im Team lange nach einem Hoffnungsschimmer gesucht. Wir haben ihn nicht gefunden.

Ist der Hofnarr für Sie Täter oder ist er Opfer?

Diese Thematik ist Schlüsselthema in dem Stück, aber die Frage kann man nicht beantworten. Ich denke, Rigoletto ist beides. Für mich geht es aber vielmehr um die Frage nach der Schuld. Trägt Rigoletto Schuld am Tod seiner Tochter? Ja, er hat Schuld, er ist aber auch Opfer dieser Welt, seines Ausgestoßenseins, seines Jobs. Andere stellt er permanent bloß und macht sie lächerlich. Er ist Opfer, weil er nicht begriffen hat, dass man Kinder nicht festhalten kann. Damit wird er zum Täter, denn die Verantwortung, seine Tochter loszulassen, hätte er als Vater übernehmen müssen.

Ist Rigoletto ein liebevoller Vater?

Ja. Er hat viel über die Welt begriffen und versucht, seine Tochter zu schützen. Aber dass er sie festhält, fällt ihm auf die Füße.

Haben Sie Kinder?

Ja, eine Tochter.

Können Sie diese Schutzbedürftigkeit nachvollziehen?

Wenn man Kinder hat, kennt man diese fürchterliche Angst, vor allem jene Angst, wenn man sich in Fantasien reinsteigert. Rigoletto erlebt schlimme Alpträume und fürchterliche Fantasien. Die Oper geht der Frage nach, was passiert da mit mir? Das ist für mich der interessanteste Punkt in dieser Geschichte.

Wie heutig wird Ihre Inszenierung?

Sie ist zeitlos. Wir haben auf jegliche Illustration von Zeit verzichtet. Und passend zum düsteren Inhalt haben wir eine schwarze, leere Bühne. Es gibt fast keine Kulisse.

Warum reduzieren Sie so stark?

Rigoletto ist die Geschichte eines Mannes, was er tut und was ihm widerfährt. Wir richten den Focus auf den Menschen. Durch die Reduzierung wollen wir das Emotionale, das Schicksalhafte und das Innere noch intensivieren.

Was machen Sie mit dem Hofstaat?

Er ist in Form von Menschen präsent. Nur ein Kronleuchter markiert den Palast. Wir erzählen viel über Licht und sich verändernde Perspektiven. Wir arbeiten mit Verfremdung. Der Hofstaat, der Chor also, trägt Masken, weil ein Mensch andere Menschen verzerrt sieht, wenn sie ihm Angst machen. Deshalb erhält der Chor beängstigende, verzerrte Gesichter.

Wie emotional muss die Rigoletto-Titelrolle sein?

Sie muss sehr emotional rüberkommen. Als ich hörte, dass Juha Koskale den Rigoletto singt, war ich sehr glücklich. Ich weiß aus meinen bisherigen vier Arbeiten hier am Haus, dass er absolut reingeht in die Figur. Er kann sich sehr gut mit seiner Rolle identifizieren. Juha kommt als Rigoletto auf die Probe und geht als Rigoletto wieder raus.

Premiere ist am Sonnabend, 7. November, 19.30 Uhr, am Großen Haus Halberstadt. Weitere Aufführungen: 22. November in Quedlinburg, 29. November und 25. Dezember in Halberstadt.