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Leseförderung Gefühle auf Papier

Der Friedrich-Bödecker-Kreis kümmert sich um Leseförderung. Am 7. November feiert er seinen 25. Geburtstag.

Von Grit Warnat 05.11.2015, 00:01

Magdeburg l „Rezept zum Glücklichsein“ vereint Texte schreibender Schüler. Mehr als 300 Seiten stark ist die Anthologie, voller Gedichte und Geschichten, Wünsche und Träume, aufgeschrieben zum diesjährigen Schreibwettbewerb des sachsen-anhaltischen Friedrich-Bödecker-Kreises (FBK). 5250 Einsendungen hatte es gegeben – so viele wie noch nie zuvor.

Mit 70, 80 Schülern fing dieser Wettbewerb Anfang der 1990er Jahre an, erinnert sich Dorothea Iser, Mitbegründerin des Bödecker-Kreises, einstige Geschäftsführerin und seit 2000 dessen Vorsitzende. Heute gibt es nicht nur viel mehr teilnehmende Schüler, sondern auch viel mehr Projekte wie Schulschreiber, Bücherfrühling, Lesekrone. Stetes Ziel: An Schulen ausschwärmen, Kinder und Jugendliche fürs Lesen und Schreiben begeistern, durch Gespräche die Fantasie anregen, sich mit dem zu beschäftigen, was um einen herum in der Schule, in der Freizeit, im Freundeskreis passiert.

„Lesen regt das Schreiben an“, sagt Dorothea Iser. „Kinder sollen Mut haben, ihre Gefühle aufs Papier zu bringen.“ Dafür gehen Autoren in Schulen, lesen Geschichten, reden über Texte. 547 Lesungen gab es vom FBK bis dato in diesem Jahr, 417 Workshops, mehr als 18  000 Schüler. Im Projekt Schulschreiber, vier gibt es derzeit im Land, betreut ein Schriftsteller ein Schuljahr lang eine Schule. Das alles sei mittlerweile eine Mammutaufgabe geworden, sagt die Vorsitzende, die nicht müde wird, möglichst viele mit dem schönen Lese-Schreib-Drang-Virus zu infizieren. Ihr zur Seite stehen 110 FBK-Mitglieder, viele davon sind in Schulen unterwegs und helfen, dass die Literatur zu den Kindern kommt.

„Wir geben ihnen das Gefühl, dass wir sie ernst nehmen, dass ihre Gedanken nicht verfliegen.“ Dorothea Iser meint mit diesem Nicht-Verfliegen das Festhalten der Worte. Es geht um die gedruckte Form, um das Buch, in dem sich die Arbeiten mit Namen und Alter wiederfinden. Jedes Jahr gibt der Friedrich-Bödecker-Kreis ein Buch heraus – keineswegs üblich in anderen Bundesländern. „Wale am Himmel“ oder „Wenn die Erde Worte hätte“ waren Titel. „Kieselsteine“ hieß 1993 das erste Schülerbuch einer Schreibwerkstatt des Vereins. Es ging um Freundschaft.

Auch heute schreiben Schüler oft über Freundschaft. Was hat sich thematisch geändert in all den Jahren? Iser: „Ängste, auch Sehnsüchte haben sich verändert. Hätte ich vor 20 Jahren gefragt, wovor fürchtest du dich, dann wäre die Antwort nicht gewesen: ‚Ich möchte mal nicht erschossen werden‘. Amok in der Schule ist immer wieder ein Thema.“

Wenn am Sonnabend in Magdeburg 25 Jahre FBK gefeiert werden, geht es in Reden und Grußworten um Lese- und Literaturförderung. Schriftsteller aus Georgien, Polen, Bosnien-Herzegowina, die anlässlich der noch bis Sonnabend stattfindenen InterLese in Sachsen-Anhalt weilen, sind zu Gast. Und natürlich Schüler. Sie lesen aus ihren eigenen Texten.