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Musical 1,90 Meter im Paillettenkleid

Andreas Lichtenberger ist als Nachtclub-Star Zaza in „Ein Käfig voller Narren“ am Opernhaus Magdeburg zu erleben.

Von Grit Warnat 10.02.2016, 00:01

Herr Lichtenberger, Sie verkörpern den Tavestie-Star Zaza. Wie lange dauert die Maske?

Andreas Lichtenberger: Ich bin fast zwei Stunden in der Maske. Den letzten Schliff gibt es kurz vor Vorstellungsbeginn.

Und die Kostümanprobe?

Viele meiner Kostümwechsel finden auf der Bühne statt – das ist eine große Herausforderung. Anfangs habe ich einen Morgenmantel an, Corsage und Schäfchen- pantoffeln, in denen ich übrigens auch tanzen muss. In das erste glamouröse Showkostüm, ein großes silbernes Paillettenkleid, schlüpfe ich on stage. Das Publikum kann Zazas Künstlergarderobe sehen. Dort lege ich alles an, die Perücke, die Klunker, die Boa. Es ist ein sehr ehrlicher, sehr offener, an manchen Stellen auch offenherziger Blick hinter die Kulissen einer Show. Dann dreht sich die Bühne und das Publikum sieht mich am oberen Ende der Showtreppe stehen.

In Schäfchenpantoffeln?

In High Heels!

In Ihrer jüngsten Rolle am Capitol-Theater in Düsseldorf waren Sie als Shrek zu sehen.

Und danach als einbeiniger Long John Silver in der „Schatzinsel“. Ich habe das große Glück, bisher nicht in einer Rolle festgelegt worden zu sein. Dadurch konnte ich mich immer höchst unterschiedlich präsentieren. Ich war der Gorilla-Anführer bei „Tarzan“, ich war Shrek und schlüpfte in die Rolle einer Frau in „Hairspray“. Da habe ich übrigens meine erste Erfahrungen auf High Heels gemacht.

Jetzt spielen Sie einen Meister der Travestie. Denkt man da über Vorurteile nach?

Auf alle Fälle! Die Edna in „Hairspray“ ist eine Frau, die Probleme mit ihrer Körpergröße hat und die von ihrer Tochter ermutigt wird: Sag ja zu deinem Körper, egal wie er ist. Albin alias Zaza hingegen ist ein Mann. Und er ist bewusst ein Mann, der die Travestie liebt und mit seinem Lebensgefährten zusammenlebt. Die beiden haben einen Sohn großgezogen. Diese Story war schon ein kleiner Skandal, als die Musicalfassung 1983 am Broadway Premiere feierte. Aber die Amerikaner können solche Geschichten einfach positiv verpacken. Bei „Hairspray“ werden Probleme wie die damalige Rassentrennung in den USA überwunden und Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben tanzen miteinander auf der Bühne. In „Ein Käfig voller Narren“ werden Vorurteile gegenüber Homosexuellen oder Travestie besiegt durch den Charme des Alltäglichen.

Was meinen Sie mit diesem Charme?

Alle Menschen, die in einer Beziehung leben, wissen: Lieben ist lieben, streiten ist streiten und Probleme bleiben Probleme, die für alle die gleichen sind. Das ist auch der Reiz in diesem Musical. Albert und George sind ein eingespieltes Team, sie leben seit 20 Jahren zusammen. Der eine kocht, der andere kommt zu spät von der Arbeit. Das ist ja wohl ein Grundproblem, das wir alle kennen.

Auf der Bühne gibt es also nicht nur Glitzer und Revue, sondern auch Nachdenkliches?

Natürlich. Albin und George wollen den zukünftigen Schwiegereltern ihres Sohnes eine heile, heterosexuelle Familienwelt vorgaukeln. Albin soll als Onkel vorgestellt werden und nicht als der, der er ist. Er ist empört und empfindet das als eine Abwertung seiner Person. Da gibt es Dialoge, die tun unglaublich weh, die stechen, dass einem die Tränen in die Augen schießen. Aber das kann amerikanisches Musical, das kann Musiktheater: Die epischen Momente werden so von der Musik unterstützt, dass das Publikum gepackt wird.

Die Schauspielhausdirektorin Cornelia Crombholz führt Regie, Ihnen zur Seite stehen Ensemblemitglieder des Schauspielhauses. Ist das eine andere Zusammenarbeit als an einem Musicalhaus?

Ja. Ich komme vom Schauspiel und weiß, es ist ein anderes Arbeiten als beim Musical. Für mich ist so ein Arbeiten wie ein Nach-Hause-Kommen. Cornelia Crombholz hat tolle Ideen und keine Scheu, etwas noch einmal umzustoßen.

Sie haben zum ersten Mal eine Rolle am Haus?

Ja.

Wie kam es dazu?

Ganz klassisch. Ich habe die Ausschreibung für die Rolle gelesen, in der stand, dass man „Ich bin, was ich bin“ zum Vorsingen vorbereiten soll. Ich wollte einmal im Leben dieses Lied singen und freue mich, dass es geklappt hat.

Hatten Sie vom Theater Magdeburg und seinen Musicalproduktionen schon gehört?

Magdeburg hat sich in der Musicallandschaft einen Namen gemacht, hier ist eine große Erfahrung vorhanden. Das weiß unsere Branche. Aber dass so aufgefahren wird, hatte ich nicht gedacht. Damen- und Männerchor, Ballett, Schauspieler, Sänger, Orchester, dazu um die 140 Kostüme, keines gleicht dem anderen. Diese Produktion saugt das Haus aus – und das meine ich im positivsten Sinn.

Welche neuen Erfahrungen nehmen Sie noch mit nach Hause?

Die Enthaarung! Meine Brust ist kahl. (lacht) Und dass ein Mann unglaublich lange, tolle Beine haben kann. Anthony Kirby, unser Jacob, hat die vermutlich längsten Beine zu bieten, die man auf deutschen Musicalbühnen zu sehen bekommt – neiderregend!