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Konzert Schöne Schwermut

Die Rockband AnnenMayKantereit hat auf ihrer ausverkauften Deutschland-Tournee am Donnerstag Halt in Magdeburg gemacht.

Von Elisa Sowieja 13.02.2016, 00:01

Magdeburg l Gut sechs Monate ist es her, da gab eine junge Festival-Organisatorin in der Volksstimme einen Tipp ab: Eine der Bands, die damals beim „Rocken am Brocken“ im Harz-Dörfchen Elend auftraten, stünde der Durchbruch bevor. Eine mit sonderbarem Namen: AnnenMayKantereit. Nun, zwei Jahreszeiten später, steht jene Band auf der Bühne einer proppenvollen Magdeburger Factory. Als Teil einer Deutschland-Tour, die seit Monaten komplett ausverkauft ist. Und das, obwohl die Kölner noch nicht mal ein Studioalbum auf dem Markt haben.

Christopher Annen, Henning May, Severin Kantereit und ihr Live-Bassist brauchen nicht viel Firlefanz. Keine Aufwendige Bühnendeko – nur drei Stehlampen mit Schummerlicht. Auch kein besonders Outfit – ein einfaches Shirt in Schwarz, Grau oder Weiß reicht. Die Stimme von Henning May ist Effekt genug.

Tief, kräftig, kratzig. „Jeden Morgen war ich warm und wurde kalt“ – nur diese eine Zeile muss er singen und die Menge johlt. Der Lockenschopf grinst kurz, dann presst er mit verträumtem Blick die nächsten melancholischen Töne heraus.

Diese Art von Liedern ist es, die einen an diesem Abend am meisten packt. So wie auch „3. Stock“, ein Song über die quälende Sehnsucht in einer Fernbeziehung. Oder „Nicht nichts“, der die innere Schwere nach einer Trennung beschreibt. Das macht Gänsehaut, immer wieder aufs Neue.

Henning May präsentiert sich mit einer ganz eigenen Körpersprache. Mal verschränkt er die Arme hinter dem Rücken, mal wippt er mit gebeugtem Oberkörper und schnipst dabei. Dann wieder kratzt er sich, am Klavier sitzend, am Kopf, während er den Massen kurz noch mitteilt, dass das nächste Lied vom selben Mädchen handelt wie das vorige. Das wirkt scheu und selbstsicher zugleich.

Bei all der schönen Schwermut schaffen es AnnenMay-Kantereit aber auch, ihr Publikum nicht in Melancholie zu ertränken. Das ist vor allem den drei Musikern um Henning May zu verdanken. Mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und Mundharmonika verpassen sie den Liedern viele Facetten: hier etwas Blues, da einen Hauch Funk, dort eine Prise Rock‘n‘Roll.

So funktionieren dann auch die schnellen Nummern wie „Wohin du gehst“ – ein Song über erkaltete Freundschaft. Oder ein improvisiertes Stück über Konzertbesucher, die ständig mit ihren Smartphones filmen. „Na, wer schämt sich jetzt für das, was er vor 20 Minuten getan hat?“, fragt Henning May danach frech in die Runde. Die steckt die Kritik gut weg. Jubelt, tanzt, singt weiter. Und lässt die Handys brav in der Tasche.

Nur beim letzten Song können fünf, sechs Leute dann doch nicht widerstehen. Denn es ist das bisher bekannteste Lied der Band: „Oft gefragt“. Henning May schrieb es für seinen Vater. Denn der hat wohl einen ziemlich guten Job gemacht. Auf Youtube hat der Song insgesamt zwölf Millionen Klicks. Ganz selten hat man ihn auch schon im Radio gehört. Mit der Bühnenversion kann das Radio hier aber nicht mithalten.

Vier Zugaben spielen die Jungs danach noch, dann verbeugen sie sich und verschwinden. Das Publikum versucht standhaft, sie nochmal zurück auf die Bühne zu klatschen. Aber für eine Band vor der ersten Albumveröffentlichung sind mehr als anderthalb Stunden Programm wohl auch etwas viel verlangt. Nächstes Mal sieht das sicher schon anders aus.