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Theater Der Mann in der Tiefkühltruhe

Annett Gröschners Roman „Moskauer Eis“ spielt in Magdeburg und steht am dortigen Schauspielhaus kurz vor der Premiere.

Von Grit Warnat 30.03.2016, 01:01

Moskauer Eis war zu DDR-Zeiten beliebt. Haben Sie es auch gern gegessen?

Annett Gröschner: Zwangsläufig ja. Wir Kinder durften es nach meiner Erinnerung schon im Versuchsstadium kosten.

Sie stammen wie Ihre Pro­tagonistin aus einer Familie von Kältespezialisten und Speiseeisforschern?

In Magdeburg gab es das einzige Kälteinstitut der DDR. Ursprünglich war es auf dem Schlachthofgelände, später dann auf dem Werder. Dort hat meine Familie väterlicherseits gearbeitet.

Es geht in Ihrem Buch viel um Magdeburg und Kälteforscher, Ihre Protagonistin Annja Kobe wurde wie Sie 1964 in der Stadt geboren. Wieviel Annett Gröschner steckt in Ihrer Protagonistin?

Als mein Roman veröffentlich wurde, hat mein Vater bei einer Zeitung angerufen und um die dort veröffentlichte Rezension gebeten. Als er sagte, dass die Autorin seine Tochter sei, fragte die Frau am anderen Ende der Leitung: ‚Sind sie der Mann, der sich eingefroren hat?‘ So viel zum Realismus. Es gibt in dem Roman autobiografische Elemente. Aber nichts ist eins zu eins.

Sie haben eine Probe gesehen. Steht eine Tiefkühltruhe auf der Bühne?

Ja, sie ist Teil des Bühnenbildes und wird auch ab und an mal geöffnet.

Es gab einen Menschen, der sich einfrieren ließ und der aufgetaut werden will, wenn die Forschung so weit ist, dass sein Krebs geheilt werden kann?

Es gibt in Amerika mehrere kryologische Institute, die sich darauf spezialisiert haben, Menschen einzufrieren und zu lagern, bis die Technologie soweit ist, dass sie wieder zum Leben erweckt werden können. Die Körperflüssigkeiten werden durch Kältemittel ersetzt, um die Zellen durch den Gefriervorgang nicht zu schädigen. Für den Vater in meinem Roman ist das nicht relevant. Er hat sich sogar ohne Zufuhr von Energie eingefroren, was nach den Hauptsätzen der Thermodynamik nicht möglich ist, nach den Gesetzen der Literatur schon.

Einige Rezensenten schrieben über Ihr Buch, Sie würden ein Leben in Zeiten des Kalten Krieges erzählen. Das empfindet man beim Lesen nicht so.

Es ist die Metapher des Einfrierens und Auftauens. Im Kalten Krieg steckt diese Kältemetapher, und in meinem Buch geht es genau um diese Zeit. Ich wusste schon, als ich angefangen hatte zu schreiben, dass ich auf dieses Bildhafte setze, habe aber letztlich beim Überarbeiten viele politische Bilder wieder herausgenommen, weil die Geschichte, die ich erzähle, sie nicht brauchte.

Wie viel DDR kommt auf die Bühne?

Die DDR und Magdeburg sind in den Figuren präsent, der Roman spielt ja dort. Aber mir geht es sehr stark um die Frage, welche Gesellschaftsordnung der Vater will und warum er sich einfriert. Er sieht die neuen Verhältnisse nicht als jene an, die er haben möchte, und die alten, das weiß er, funktionieren nicht mehr, haben nie funktioniert. Mein Roman ist eine Umbruchgeschichte, mit der jeder damals zu tun hatte, der eine mehr, der andere weniger, aber die Generation meiner Eltern am stärksten. Mit der Wende ist das Kälteinstitut von der Treuhand geschlossen worden. Wie dort gab es überall Entlassungen von einem Tag auf den anderen. Das hat mich damals sehr beschäftigt.

Trotzdem ist Ihr Buch mit sehr viel Humor geschrieben. Wird den auch das Publikum erleben?

Das hoffe ich. Vor allem ist mir die Ironie wichtig, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

2005 wurde „Moskauer Eis“ in Berlin uraufgeführt. An welchen Theatern wurde das Stück noch aufgeführt?

Es gab nur diese Uraufführung am Berliner Maxim-Gorki-Theater unter der Regie von Sascha Bunge anlässlich des von Armin Petras geleiteten Festivals „Glaube II ... und der Zukunft zugewandt“.

Stammt die Stückfassung von Ihnen?

Von mir und dem Dramaturgen Ralf Fiedler. Sie ist auch Grundlage der Inszenierung in Magdeburg.

Was bedeutet es Ihnen, dass „Moskauer Eis“ jetzt in Magdeburg auf die Bühne kommt?

Ich freue mich sehr darüber. Ich finde, hier gehört es hin.

 

Premiere: 1. April, 19.30 Uhr Schauspielhaus.