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Glasmalerei Das Spiel mit dem Licht

Das Gotteshaus St. Johannis in Wernigerode erhält vom Glasmaler Günter Grohs neue Kirchenfenster.Jetzt werden die ersten eingebaut.

Von Grit Warnat 05.04.2016, 01:01

Wernigerode/Quedlinburg l Günter Grohs hält in den Quedlinburger Glaswerkstätten F. Schneemelcher ein Glas gegen das Licht. Festgehalten im Bleinetz glänzen Ocker und Gelb, verschwimmen im Grau, patinaartig das Material. Es ist eines jener Elemente, die im hohen Chorraum in dieser Woche ihren Platz finden werden.

Bei Grohs wächst die Anspannung. Auch mit 30-jähriger Berufserfahrung und 180 Projekten in Domen, kleinen Kirchen, Klöstern, in Bibliotheken und Universitäten in ganz Deutschland nennt er jeden Auftrag eine neue Herausforderung. Erst eingebaut, im Kontext mit der Architektur des Gotteshauses und dem Einfall des Lichtes, wird sein Kunstwerk sichtbar. Dann zeigt sich das von Grohs erdachte, erwünschte, erhoffte Spiel mit den Farben, dem Licht und dem Raum. Ein Entwurf habe nichts mit Glas zu tun, sagt er. Erst auf Licht komme die Brillanz.

Die Wernigeröder Kirche St. Johannis ist die älteste erhaltene Kirche Wernigerodes. Ihre Fenster wurden 1944 zerstört und später farblos verglast. Das Licht drang ungehindert ein und damit schädliche Strahlung für den wertvollen Flügelaltar mit seinen prachtvollen Schnitzereien. Grohs, der sein Handwerk an der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein erlernte und später perfektionierte, spricht zudem von einer Überblendung des Altares durch das einflutende Gegenlicht. „Ich nehme dem Raum Licht, damit er heller wird“, sagt er und weiß, dass der Satz nicht für jedermann logisch klingt. „Wer das Ergebnis sieht, wird mich verstehen.“

Grohs arbeitet stets architekturbezogen. „Ich arbeite für Räume“, so der Wernigeröder. Er könne sie erfühlen, riechen. „Auf diese Empfindungen will ich Antworten finden“, sagt er. „Der Raum gibt mir den Auftrag.“

Wer seine Arbeiten kennt, weiß, was er meint. Er setzte bei der Fenstergestaltung von St. Wiperti in Quedlinburg auf die Klarheit des Raumes, bei der St. Petri-Pauli-Kirche in Eisleben, der Taufkirche von Martin Luther, auf Krümmungen und Geraden. Dort inspirierten ihn der Fußboden und der ebenerdige Taufbrunnen mit konzentrischen Kreisen. Im Domschatzgewölbe in Namburg kann der Betrachter in Grohs Glasarbeit Silhouetten einer Kalaschnikow und Stacheldraht entdecken. „Was soll ich Exponaten aus dem 13. Jahrhundert entgegensetzen?“, hat er sich beim Auftrag gefragt. Nichts Historisierendes, war seine Antwort. Seine Glaskunst für den Domschatz greift die Bedrohung in der Welt auf.

Für St. Johannis knüpft er in der Lineatur an den neogotischen Raum und in der Bemalung an die goldene Farbigkeit des Altars an. Seine Kunst soll integrativ wirken, sagt er. 10 Fenster, 60 Quadratmeter. Glas ist bei Grohs nicht nur Fläche. Glas hat Tiefe. Immer wieder wird gemalt, gewischt, gebrannt. Bis zu sechsmal waren seine St.-Johannis-Elemente im Ofen. Für seine glasbildnerische Arbeit hat er in all den Jahren viel experimentiert, sich entwickelt, immer mutig, voller Freude am Werkstoff.

Freudig-aufgeregt blickt der Glasmaler dem Sonntag entgegen – der Premiere für seine Kunst im Raum und im Licht.

 

10. April, 10 Uhr, Festgottesdienst zum Einbau der ersten drei Fenster. Fertigstellung aller Fenster Ende August.