1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Visionen für den Osten

Festival Visionen für den Osten

35 Theater aus zwölf Ländern machen Magdeburg im Juni erneut zum Mekka des Figurentheaters. Zum Festival startet das Projekt "Aufbruch".

Von Grit Warnat 15.04.2016, 01:01

Magdeburg l Stammbesucher des Figurentheaterfestivals schätzen die Eröffnung mit La Notte und das eine Woche lang stattfindende internationale Bühnenprogramm. Frank Bernhardt zeichnet wieder verantwortlich – in der elften Auflage ist er zum elften Mal künstlerischer Leiter. Er hat den Blick fürs Innovative, fürs Besondere, für ein Programm, das in all den Festivaljahren Besucher immer wieder Staunen ließ ob der Vielfalt an zeitgenössischem Figuren-, Bilder- und Objekttheater. In diesem Jahr nun gibt es noch einen „Aufbruch“ dazu.

Hinter dem Wort verbirgt sich ein ehrgeiziges Vorhaben. Ein Projekt, angelegt auf drei Jahre, soll sich ganz speziell dem ostdeutschen Ensemblepuppentheater widmen, für Frank Bernhardt ein besonderes kulturpolitisches Erbe in der deutschen Theaterlandschaft. Er spricht von einem ostdeutschen Phänomen.

Ensemblepuppentheater hat eine lange Tradition in Russland, Bulgarien und Rumänien. Der Impuls kam von dort in die DDR. In den 1950er, Anfang der 1960er Jahre gab es eine große Gründungswelle. Auch das Magdeburger Haus in Buckau entstand, auf dessen Bühne 1958 das erste Stück gezeigt wurde. 16 kommunale Puppentheater wurden in jener Zeit gegründet – jede Bezirksstadt sollte ein eigenes Haus haben. Nach 25 Jahren Wiedervereinigung, so sagt Bernhardt, seien noch neun übrig – zum Teil als Sparten von Theatern oder in Vereinsträgerschaft. „Das Magdeburger Puppentheater ist das einzige eigenständige Haus geblieben.“

Manche wurden degeneriert zum quotenbringenden Kindertheater. „Dabei schlummert ein unglaubliches Potenzial in den Ensembles“, sagt Bernhardt. Magdeburg und Halle stehen für große literarische Stoffe, für Gegenwartsdramatik. Das hiesige Haus macht gerade mit seiner Erwachsenen-Inszenierung „M - eine Stadt sucht einen Mörder“ von sich reden. Das steht für hohen künstlerischen und inhaltlichenn Anspruch. Nicht jedes Ensemble könne den umsetzen, so Bernhardt. „Aufbruch“ solle helfen, sich auszutauschen, vor allem über Entwicklungen und die Zukunftsfähigkeit dieses Genres.

Sieben Ensembles aus Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben ihre Teilnahme zugesagt, werden sich zum Festival in einer kuratierten Werkschau präsentieren. Der Diskurs über Perspektiven wird eher intern geführt, ein dreitägiges Symposium mit Referenten aus Russland, Weißrussland, Bulgarien, Holland, Frankreich und Kollegen aus Deutschland ist geplant. Bernhardt blickt über das Festival hinaus, ihm schweben auch Koproduktionen untereinander bzw. mit internationalen Partnern vor, ein anderthalbjähriger Schaffensprozess und das Aufführen des gemeinsam Erarbeiteten beim Festival 2018. Finanziell ist das Ansinnen aber noch nicht geklärt. Die Konzeption liegt der Bundeskulturstiftung vor.

Zurück zum Juni. Osteuropa als Puppenspiel-Schmiede ist ebenfalls in das diesjährige Programm integriert. Auch dort stünden die Verantwortlichen vor der Frage, wie zeitgenössisches Theater mit Puppen und Objekten auf die Bühne gebracht werden kann. Bernhardt spricht von einem Transformationsprozess, der Suche, sich künstlerisch zu erneuern und das Publikum auf diesem Weg mitzunehmen. Es gehe um Visionen, Neuorientierungen, Herausforderungen.

Stellvertretend für dieses Suchen nennt Bernhardt zwei Gastspiele aus St. Petersburg. Geladen sind das Bolshoi Theatre Kukol als klassisches Ensembletheater sowie eine freie Künstlervereinigung. Tradition und neue Ausdrucksformen werden aufeinandertreffen. Auch das Puppentheater aus Plovdiv wird anreisen. Das älteste Puppentheater Bulgariens zeigt die Inszenierung einer jungen Regisseurin. Dieses Stück stehe inhaltlich und ästhetisch allem gegenüber, was in der Tradition des Plovdiver Hauses bisher entstanden sei, sagt Bernhardt. Auch hier Tradition und Neuland im Kontext. Der Titel des Festivals stimmt darauf ein: „Transformation. Die Welt im Wandel“.