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Grafik Wenn der Sohn den Vater trägt

Der Maler Neo Rauch hat sich für die neue Ausstellung in Aschersleben mit dem Werk seines früh gestorbenen Vaters beschäftigt.

Von Uta Baier 19.05.2016, 23:01

Aschersleben l Die nächste Ausstellung in der „Grafikstiftung Neo Rauch“ wird die persönlichste, die der Maler je gezeigt hat. Denn wenn am Samstag die fünfte Ausstellung in Aschersleben eröffnet, stellt der Leipziger Künstler Werke seines Vaters zusammen mit eigenen, neuen grafischen Blättern vor. Damit ist die Ausstellung eine Doppelpremiere, denn die Arbeiten des Vaters Hanno Rauch waren noch nie öffentlich zu sehen. Und die des Sohnes, die während der Beschäftigung mit den Blättern des Vaters in den vergangenen Monaten entstanden, naturgemäß auch nicht.

Eine solche „Begegnung“ des sich seit langem entwickelnden Werks von Neo Rauch und der tastenden frühen Arbeiten seines Vaters kann nur in einer solchen Stiftung stattfinden. Denn dass Hanno Rauch, der nur drei Jahre künstlerisch tätig war, nun als das Künstler-Genie von Museen entdeckt wird, glaubt selbst Galeristin und Stiftungsvorsitzende Kerstin Wahala nicht. „Aber man weiß ja nie, wie die Kuratoren so ticken“, sagt Wahala, die die Grafikstiftung für diese ungewöhnliche Begegnung gerade angemessen findet.

„Neo, der sein Privatleben immer sehr zu schützen versucht, zeigt mit dieser Ausstellung sein großes Bedürfnis, das Werk des Vaters vorzustellen“, sagt Kerstin Wahala und ergänzt: „Es war wirklich bewegend, an diesem Prozess teilzuhaben.“ Denn Rauchs Eltern starben 1960 bei einem Zugunglück, vier Monate nach der Geburt des Sohnes. Die Mutter 19 Jahre, der Vater 21 hatten gerade erst das Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig begonnen. Später studierte und lehrte ihr Sohn dort. Der Maler-Kommilitone Hartwig Ebersbach bewahrte rund 200 Arbeiten von Hanno Rauch für den Sohn auf. Aus diesem Erbe hat Neo Rauch nun 50 Arbeiten aus den Jahren 1957-1960 - Holzschnitte, Lithografien, Tuschezeichnungen und Radierungen - für die Ausstellung ausgewählt und selbst etwa 25 neue Arbeiten geschaffen, die „auf die Arbeiten des Vaters reagieren“, wie Kerstin Wahala sagt. Von einem Dialog will sie nicht sprechen, schließlich könne der Vater nicht antworten.

Rauch wird zum Hängen der Blätter und zur Eröffnung der Ausstellung wie immer nach Aschersleben kommen, das ihm sehr nahe ist, denn nach dem Tod der Eltern wuchs er dort bei seinen Großeltern auf. Im Volksstimme-Interview sagte er einmal über die Stadt und seine Beziehung zu ihr: „Mir selbst geht es so, dass ich atmosphärisch immer tiefer hier einsinke. Ich nehme eine zunehmende Wärme wahr, die der Ort auf mich ausstrahlt und die ich auch gern zurückgebe. Ich habe immer mehr das Gefühl der Heimkehr.“

Die erste eindeutig sichtbare Beschäftigung mit dem Verlust der Eltern sind die 2016 entstandenen Arbeiten jedoch nicht. Schon 2007 malte Rauch ein Bild mit dem Titel „Vater“. Es zeigt im Vordergrund einen jungen Mann, der einen Mann in Säuglingsgröße mit dem Gesicht eines älteren Mannes im Arm trägt. Das Bild gehört heute dem Metropolitan Museum in New York und wird daher nicht in Aschersleben gezeigt.

Biografische Bezüge über die Beschäftigung mit den Arbeiten des Vaters hinaus wird es in der Ausstellung trotzdem geben: Rauch ergänzt die Grafiken durch zwei Leinwandbilder: „Marah“ von 1994, das kurz nach dem offiziellen Beginn seiner Maler-Karriere entstand, und das sehr aktuelle Bild „Hüter der Nacht“ von 2014, das durchaus auch als Eltern-Kind-Bild gelesen werden kann.

Eine Ausstellung der Arbeiten der Mutter, die begonnen hatte, Buchgestaltung zu studieren und von der sich, nach Angaben der Stiftungsvorsitzenden Kerstin Wahala wesentlich weniger Werke erhalten haben, ist bisher nicht geplant.

Grafikstiftung Neo Rauch, Wilhelmstr. 21-23, Aschersleben; 22. Mai bis 30. April 2017; Mi bis So, 11 bis 17 Uhr, Eintritt: 4 Euro.