1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Begegnung mit eigenen Gefühlen

Tanztheater Begegnung mit eigenen Gefühlen

Die „Tanzbegegnungen“ der Magdeburger Ballettkompanie zieht seinen Zauber aus der Unmittelbarkeit des Erlebens.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 29.05.2016, 23:01

Magdeburg l Es ist in der Tat eine ganz persönliche Begegnung mit der wohl schönsten Form künstlerischen Ausdrucks. Die unmittelbare Nähe im Studio des Schauspielhauses sorgt für knisternde Spannung, erzeugt eine unmittelbare Verbindung der Zuschauer zu dieser Form des Ausdruckstanzes, wie man sie sonst wohl nirgendwo erleben kann.

Die Choreographie und die Geschichten dahinter, beides von Tänzerinnen für Tänzerinnen erarbeitet, offenbaren einen höchst authentischen Blick auf die Gefühlswelt der jungen Künstlerinnen, die man mit jeder Bewegung, jedem Blick, jeder Geste spüren und beinahe greifen kann. All das zusammen schafft eine unnachahmliche Atmosphäre und ein ergreifendes Kunsterlebnis, das noch lange nach den letzten Schritten und Bewegungen bei den Zuschauern nachhallt.

Die Musik spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Sie ist ganz eng mit den Lebensgeschichten, mit Freude und Leid, mit Ängsten und Verlust sowie dem tiefen Gefühl zur Heimat der jungen Choreographinnen und Tänzerinnen verbunden. Und sie beziehen mit ihrer künstlerischen Ausdrucksform Stellung zu den Ereignissen in der Welt, zeigen, dass ihr „Tanzlabor“ keine Käseglocke ist, in der man die Geschehnisse auf diesem Erdball vergisst. Mehr noch, sie zeigen den Willen, sich mit ihren speziellen Mitteln einzumischen.

Drei Tänzerinnen, Anastasia Gavrilenkova aus St. Petersburg, die im weißrussischen Minsk geborene Antanina Maksimovich und die aus Lissabon stammende Tatiana de Sousa stürzten sich mit viel Mut und Engagement in das Wagnis, eigene Choreographien zu entwickeln und auch die Besetzung aus den Reihen ihrer Kolleginnen der Kompanie zu bestimmen. Wagnis deshalb, weil es alles andere als einfach ist, die Seiten zu wechseln, statt des Einstudierens von Schritten und Bewegungen selbst ein Gesamtwerk des Ausdruckstanzes zu gestalten.

„Wir sind Geiseln unserer Gefühle“ nannte Anastasia Gavrilenkova ihre Choreographie, die vor allem die herausragende Lou Beyne zusammen mit Leah Allan, Andrea Masotti und Audrey Becker tanzte. Die ganze Welt tiefer Gefühle vermag die Französin Lou Beyne wie kaum eine andere im Tanz umzusetzen, während Audrey Becker eine beeindruckende fröhlich-tänzerische Leichtigkeit vermittelte.

Ganz im Bann des portugiesischen Fado stand „Burburinho“ von Tatiana de Sousa. Fado hört man in Portugal an jeder Straßenecke, getanzt wird danach allerdings nicht. Für die Choreographin verkörpert die melancholische Musik allerdings das tiefe Heimatgefühl, und weil man an jeder Straßenecke nicht nur den Fado, sondern auch den neuesten Tratsch - genau das heißt Burburinho - hören kann, stand beides im Mittelpunkt ihrer fröhlich-frechen Choreographie, der Leah Allen das bestimmende Gesicht gab.

„Quo Vadis“ von Antanina Maksimovich ist ein sehr nachdenkliches Stück. Woher kommen wir und wohin gehen wir? Die Künstlerin nutzt lange weiße und schwarze Bänder, die tänzerisch trennen und verbinden. Bei ihr spielt die Musik ebenso eine ganz besondere Rolle. Es ist das armenische Instrument Duduk, was so viel wie „Seele des Aprikosenbaums“ heißt, aus dessen Holz es gefertigt ist. Mit diesem besonderen Klang in allen Kompositionen schaffen Christina Salamon Lama und Sophie Allnat zusammen mit Katharina Deschler und Laura Dominijanni besonders furiose wie anrührende Momente.

Die „Tanzbegegnungen“ sind eine Hommage an den Ausdruckstanz, der man sich kaum entziehen kann. Die Tänzerinnen wurden nach dem letzten Bild mit sehr viel Blumen und noch mehr Beifall belohnt. Der Folge 6 folgen hoffentlich noch viele.

„Tanzbegegnungen 6“ ist am Donnerstag, 2. Juni, im Studio des Schauspielhauses erneut zu sehen. Das Magdeburger Tanzfest endet am Sonntag, 5. Juni.