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Atelierbesuch Schaf und Kopf in Kiste

Das Hallenser „atelier42“ wurde mit zwei Designpreisen beim German Design Award 2017 geehrt. Ein Besuch.

Von Uta Baier 05.04.2017, 23:01

Halle l Mann allein mit Kopf im Pappkarton. Liebespaar zusammen mit Köpfen im Pappkarton. Geheimnisvolles Leuchten unter jeder Pappkiste – die Plakate zur Museumsnacht Halle–Leipzig vor zwei Jahren illustrierten das Motto „Kopfkino“ nicht nur, sie amüsierten, machten neugierig und ganz schön neidisch auf das, was da unterm Pappkarton versteckt blieb. Mit dieser Kampagne gewannen die Hallenser Gestalter vom „atelier42“ einen Preis beim German Design Award 2017. Der Preis, ausgelobt vom renommierten Rat für Formgebung und vergeben von einer international besetzen Jury, ist die höchste deutsche Auszeichnung für Produkt- und Kommunikationsdesign.

„Die ironische und doch wörtliche Visualisierung des Themas ‚Kopfkino’ generiert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und funktioniert in allen Medien“, hieß es ein wenig trocken in der Jurybegründung. Die Kommunikationsdesignerin Sandra Furák dachte eher an den „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry und das Schaf, als sie die erste Idee für die Plakatserie hatte. „Beim kleinen Prinzen gibt es die Geschichte, dass der Prinz den Piloten fragt, ob er ihm ein Schaf zeichnen kann. Der Prinz ist mit allen Bildern unzufrieden. Erst als ihm der Pilot eine Kiste mit drei Löchern zeichnet und sagt: Das Schaf, das du willst, steckt da drin, ist er zufrieden. Das ist Kopfkino“, sagt Sandra Furák. Als die Idee gefunden war, entschieden sie und ihre beiden Kollegen, dass sie mit Hilfe von Fotos umgesetzt wird – fertig waren die preisgekrönten Plakate.

Sandra Furák ist die Frau im Team des Hallenser Design­büros „atelier42“, zu dem außerdem Michael Girod und Klaus Pockrandt gehören. Die drei studierten gemeinsam Kommunikationsdesign an der Burg Giebichenstein. Jetzt sind sie seit elf Jahren das „atelier42“ und wollen das auch bleiben. Denn die Zusammenarbeit ist erfolgreich. Beim diesjährigen Wettbewerb um das beste Design blieb es für die Hallenser nicht bei einem Preis: Für das Plakat zur Ausstellung „Krieg. Eine archäologische Spurensuche“ des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle wurden sie ebenfalls ausgezeichnet. „Die zum Strahlenkranz arrangierten Schwertklingen generieren zusammen mit der markanten Farbgebung und dem sehr plakativ hervorgehobenen Wort ‚KRIEG‘ eine martialische Ästhetik, die das Thema perfekt und aufmerksamkeitsstark widerspiegelt“, schrieb die Jury zur Begründung. Ein Preisgeld ist mit der Auszeichnung nicht verbunden.

Vertrauen. Respekt. Freiheit. Das sind die drei Wörter, die im Gespräch mit den Designern vom „atelier42“ immer wieder fallen. Konkurrenz gibt es unter ihnen nicht, sagen sie. Egal, wer die erste Idee für eine Arbeit hat und wer sie umsetzt – letztendlich ist es eine Arbeit des „atelier42“. Erfolg ist der Erfolg des Büros. Die gemeinsame Ideensuche ist „ungezwungen, wie bei einem lockeren Gespräch unter Freunden“, sagt Sandra Furák. Gearbeitet wird relativ unabhängig. „Jeder macht das, was er am besten kann, und arbeitet, wann er kann“, sagt Klaus Pockrandt. Das ist die Freiheit, die sie sich nehmen und genießen. Wird gezeichnet, stammen die Ideen meist von Michael Girod, wie das neuste Plakat für die nächste Nietzsche-Tagung „Nietzsche und die Reformation“ in Naumburg, in dem Girod Luther und Nietzsche als Gartennachbarn auftreten lässt. Fotoideen stammen eher von Klaus Pockrandt. Sandra Furák setzt gern komplexe Informationen in Infografiken um.

Das Geld für die Aufträge wird nach Arbeitsleistung geteilt. Probleme? „Gibt es nicht“, sagen alle drei. Streit? „Über die Arbeit?“, fragen sie zurück. Nein, über die Arbeit hätten sie sich noch nie gestritten, privat vielleicht schon mal.

Auch über Halle sind sich die drei Designer einig: Sandra Furák kommt aus Halle, studierte in Halle, blieb in Halle. Die beiden andern kamen zum Studium und gingen nicht mehr weg. Sie lieben die Stadt seit ihrer Ausbildung an der Burg, in der sie vor allem der Grafiker Helmut Brade prägte. Sie genießen die kurzen Wege, die Netzwerke, die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Auftraggebern im mitteldeutschen Raum.

Könnten sie sich einen Traum erfüllen, würden Etiketten für einen selbst angebauten, selbst gekelterten und selbst abgefüllten Wein entstehen und komplett von ihnen gestaltete und auch geschriebene Bücher. In der Realität wollen sie vor allem für eine „Kultur der sinnvollen Gestaltung“ stehen, sagen sie. Für sie bedeutet das das Gegenteil von Oberflächlichkeit und das Gegenteil von illustriertem Zeitgeist. Sie wollen Geschichten erzählen, Ideen umsetzen. Das schließt Ironie und Hintersinn ein.

So entstand auch der Name ihrer Ateliergemeinschaft. Ideengeber war die Antwort auf die „Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“, die die Pointe des einstigen Science-Fiction-Kult-Buchs „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams war. Die Antwort lautete 42, und weil die Designer das so lustig fanden, nannten sie ihr Büro so.