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Aufführung "Otello"-Premiere am Magdeburger Opernhaus

Die aufgrund von Erkrankungen Mitte Februar abgesagte „Otello“-Aufführung feierte jetzt Premiere im Magdeburger Opernhaus.

Von Irene Constantin 12.03.2019, 23:01

Magdeburg l Generationen von Literaturwissenschaftlern, Dramaturgen und Regisseuren haben sich über die rätselhaft rapide Tragik des Shakespeare/Verdischen „Otello“ Gedanken gemacht. Wie konnte ein sieg- und ruhmreicher General innerhalb von zwei Tagen zum völligen sittlichen Versager werden? War der Feldherr Otello vom Krieg traumatisiert? Fühlt sich Otello als Ausländer, als nicht ganz Gesellschaftsfähiger in Venedigs feineren Kreisen, aus denen Desdemona stammt, von vorn herein auf fragilem Posten? Stimmte in seiner Ehe schon vorher etwas nicht? Misstraut er sich und ihr? Verdi schrieb Otello und Desdemona im 1. Akt ein gläsern kühles Liebesduett. Sie singen nicht über Trennung, Rückkehr, Liebe und Begehren, sondern rekapitulieren zartfühlend ihr Kennenlernen und erklären sich endlich, warum sie sich ineinander verliebten. Sie liebte ihn um seiner Leiden willen, er sie für ihr Mitgefühl. Erst ganz am Ende des Duetts entfacht der Sternenhimmel romantische Gefühle.

Schließlich Desdemona –sie ahnt ihren Tod und lässt ihn doch widerstandslos geschehen. Das Stück und seine Personen stecken voller Unwahrscheinlichkeiten und Unerklärlichkeiten, sie zwingen zum Nachdenken über innere Motive und gesellschaftliche Zwänge.

Olivia Fuchs indes, Regisseurin des Magdeburger „Otello“, ließ sich nicht anfechten. Jago spinnt seine Eifersuchts-Intrige, warum auch immer, Otello fällt ohne weiteres darauf herein und bringt Desdemona um.

Otello steht Ende des 15. Jahrhunderts als Feldherr und Statthalter Zyperns in venezianischen Diensten. Fuchs verlegt die Handlung in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, Ort ist ein griechisch-zyprisches Badehotel. So bekommt Otellos Sieg über die Türken wenigstens eine kleine Motivation. Für den Rest der Inszenierung bleibt die Konstellation der damals frisch geteilten Insel jedoch folgenlos. Badegästinnen in Flatterkleidern tanzen um Soldaten hinter Sandsäcken herum, ohne dass dies irgendjemanden wundert. Allenfalls stören die unkleidsamen Uniformen der Helden. Jago in seiner feschen Bundjacke wirkt etwa so dämonisch wie ein Heizungsmonteur.

Drei Akte lang steht und sitzt man singend herum, irgendwelche Ziergitter fahren von rechts nach links, an der Hotel-Bar werden Cocktails gemixt. Erst im letzten Akt entwickeln Bühne (Ausstattung Yannis Thavoris) und Regie einen gewissen stimmigen Sog. Desdemona hat sich in ihre Hotel-Suite zurückgezogen, leidet an Übelkeit. Sie singt sich ihre Angst von der Seele – das Lied von der Weide, ihr Abendgebet. Als Otello schließlich erscheint, entweicht sie ins Bad. Er erschießt sie durch die geschlossene Tür. Er lässt sich entwaffnen, zum Selbstmord dient ein verborgenes Messer.

Als Zuschauer tut man gut daran, die wenig reflektierte, handwerklich kaum überzeugende Inszenierung auszublenden und zu lauschen. „Otello“, das tragische Spätwerk des 74-jährigen Giuseppe Verdi ließ den Komponisten in neue musikalische Welten vorstoßen. Der Jubel zur Uraufführung an der Mailänder Scala war sensationell.

Ein Abglanz fiel auch auf die Magdeburger Sänger und Musiker. Aldo Di Toro in der Titelpartie hatte die nötige dunkel metallische Kraft für diese einzige Heldentenorpartie in der italienischen Opernliteratur. Keine Schwäche in seiner Stimme, nur souveränes Strahlen, durchaus auch zart in der Selbstreflektion und im Zusammenklang mit Desdemona. Raffaela Lintl hat das Gesangstemperament für eine Desdemona der Selbstbehauptung, eine wahre First Lady. Sie strahlt stimmliche Energie aus. Kostüm und Regie machten sie jedoch zum kleinen Flattertierchen, hier hätte eine lyrischere Stimme genauer gepasst.

Als absolut kompetent erwies sich das Orchester unter Pawel Poplawski. Grandioser Beginn: Ein Gewittersturm zum Zusammenzucken brach los, vom glanzvollen Chor kommentiert, und die anschließende Festmusik flimmerte und changierte und ließ alles Unheil bereits ahnen. Mit fast sinfonischer Qualität wurde im Graben musiziert, trotzdem blieb man immer Teil des Dramas, trug die Sänger durch das Stück. Ein Hauptteil der Dynamik und Spannung dieses „Otello“ kam aus dem Orchestergraben.

Vorstellungen im Opernhaus: Sonnabend, 23. März, 19 Uhr / Sonntag, 7. April, 18 Uhr /Freitag, 26. April um 19.30 Uhr / Sonntag, 19. Mai um 19.30 Uhr / Sonnabend, 1. Juni, 19 Uhr