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Ausstellung 200 Objekte erzählen Geschichte

Neil MacGregors Ausstellung "Deutschland - Erinnerungen einer Nation" veranschaulicht in Berlin 200 Jahre deutsche Geschichte.

Von Nada Weigelt 11.10.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Eigentlich wartet alle Welt auf anderes von Neil MacGregor. Der Star der internationalen Museumsszene soll Anfang November sein mit Spannung erwartetes Konzept für das Humboldt Forum im Berliner Schloss vorstellen. Doch vorerst gibt der Brite in der Hauptstadt eine andere Visitenkarte ab. Der Martin-Gropius-Bau zeigt seit dieser Woche seine Ausstellung „Deutschland – Erinnerungen einer Nation“, die vor zwei Jahren in Großbritannien für Furore sorgte.

Rund 200 Objekte aus den vergangenen 600 Jahren erzählen die zerrissene und zuletzt so dunkle deutsche Geschichte. Zu den bewegendsten Stücken gehört das Lagertor des KZ Buchenwald mit der infamen Aufschrift „Jedem das Seine“. Sie wurde nach innen lesbar angebracht, damit die Häftlinge sie ständig vor Augen hatten.

„Der Mut, wie die Deutschen mit dem schrecklichsten Kapitel ihrer Geschichte umgegangen sind, findet nicht nur in Großbritannien, sondern vielleicht in der ganzen Welt Bewunderung“, sagt MacGregor. Die Schau des British Museum in London sei eigentlich nicht für ein ausländisches Publikum gedacht gewesen. Er hoffe jedoch, dass deutsche Besucher dadurch auch das Positive an ihrer einzigartigen Geschichte sehen könnten.

Weitere symbolkräftige Werke sind etwa die Schedelsche Weltchronik von 1493 als Hinweis auf die Erfindung des Buchdrucks, Karl Bennerts Gemälde „Goethe in der Campagna“ (um 1849) und das aus Mosaiksteinen zusammengesetzte Kunstwerk „Trümmerfrau“ (1945/46) von Max Lachnit. Die in fünf Kapitel gegliederte Ausstellung beginnt und endet mit dem Jahr des Mauerfalls 1989 – und mit Gerhard Richters berühmtem Bild „Betty“ (1991), das seine Tochter wie im Blick zurück in die Vergangenheit zeigt.

Für MacGregor und seinen Ausstellungskurator Barrie Cook hat auch die Bronze­skulptur „Schwebender“ von Ernst Barlach (1870–1937) eine besondere Bedeutung. Der Bildhauer hatte den Engel mit den geschlossenen Augen als Erinnerung an die Schrecken des Ersten Weltkriegs für den Dom zu Güstrow geschaffen. In der Nazizeit wurde er eingeschmolzen.

Erst nach dem Krieg gab es einen neuen Abguss, den der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und DDR-Staatschef Erich Honecker 1981 gemeinsam besuchten. „Wie Deutschland selbst wurde auch der Engel entehrt, zerstört, zerlegt und wieder erschaffen“, schreibt MacGregor in seinem Begleitbuch. „Doch stets trug er das Überleben eines Ideals in sich und die Hoffnung auf Erneuerung.“

In Großbritannien hatte die Ausstellung 2014 ungewöhnlichen Zulauf. Rund vier Millionen Menschen täglich hörten eine BBC-Sendung, die MacGregor begleitend entwickelte. Gelegentlich hieß es allerdings auch, seine Darstellung sei vereinfachend, manche Themen kämen zu kurz. Aber der 70-jährige Museumsmacher war schon immer einer, dem das Verständnis des Publikums wichtiger war als der wissenschaftliche Elfenbeinturm.

In Deutschland trägt die Schau den ergänzenden Titel „Der Britische Blick“.

Ob die Schau auch ein Vorgeschmack auf das Konzept ist, das MacGregor als Gründungsintendant des Humboldt Forums für das ambitionierte Kulturzentrum entwickelt, wollte der Brite den Journalisten allerdings nicht verraten.