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Ausstellung Auge in Auge mit der Urzeit

Eine Ausstellung in Bonn verspricht etwas eigentlich Unmögliches: Die ganze Geschichte der Menschheit kurz zu erzählen.

Von Jonas-Erik Schmidt 21.11.2016, 23:01

Bonn (dpa) l Die Ausstellung „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ endet, wie sie angefangen hat: mit einem Werkzeug. Bei „Ludustatarium Temperosony“ – so der bedeutungsschwangere Name des Objektes im letzten Raum – handelt es sich allerdings nicht um etwas, mit dem man Holz schneiden oder Knochen zerkleinern kann, so wie mit den Faustkeilen früher Menschen. Nein, da liegt ein Playstation-Controller. Etwas zum Daddeln an einer Spielkonsole.

Der Künstler Christopher Locke hat das moderne Gerät allerdings in eine Betonmischung gegossen und inszeniert es damit als eine Art Fossil der Neuzeit. Die Botschaft: Auch wir schaffen heute Dinge, die künftige Archäologen-Generationen ausbuddeln, bewerten und einordnen werden.

An dem Beispiel wird deutlich, welch weiten Bogen die neue Ausstellung „Eine kurze Geschichte der Menschheit“, vom 22. November 2016 bis 26. März 2017, in der Bundeskunsthalle in Bonn spannt: von den ersten grobschlächtigen Werkzeugen der Menschheit bis in das digitale Zeitalter, ja sogar bis in die Zukunft. Von archäologischen Funden, die mehr als eine Million Jahre alt sind, bis zu zeitgenössischer Kunst. Und das alles mit einer äußerst aufgeräumten Inszenierung und gar nicht mal so vielen Exponaten – darunter eine Gutenberg-Bibel und das Originalmanuskript der Speziellen Relativitätstheorie von Einstein.

Die Ausstellung war ursprünglich 2015 im Israel Museum entwickelt worden. Die wichtigsten Exponate der Schau stammen daher fast ausschließlich aus dem Bestand des Hauses in Jerusalem. Bonn zeigt die Ausstellung nun erstmalig in Europa. Die Schau orientiert sich dabei an der Erzählstruktur des gleichnamigen Bestsellers des israelischen Historikers Yuval Noah Harari.

Der Aufbau ist zwar chronologisch, immer wieder gibt es aber über Texte und Kunstwerke Querverweise zur Gegenwart. Man sieht 780 000 Jahre alte Splitter einer alten Feuerstelle – und fragt sich, ob die damaligen Menschen schon in der Lage waren, am Lagerfeuer Geschichten auszutauschen. Man sieht die Schädel eines Homo sapiens und eines Neandertalers – und grübelt, warum ausgerechnet ersterer überleben konnte.

Dass es universale Phänomene der Menschheitsgeschichte gibt, wird besonders deutlich, wenn historische Artefakte und Gegenwart aufeinanderprallen. Neben einem 60 000 Jahre alten Zungenbein, das Sprache erst ermöglichte, werden Facebook-Einträge verlesen. Cornflakes-Schachteln werden neben 3 000 Jahre alten Tonkrügen angeordnet.

Die Gedanken, mit denen man aus der Ausstellung geht, hat Buchautor Harari zusammengefasst: Alle großen Errungenschaften der Menschheit seien das Ergebnis von Zusammenarbeit. Kunst spiele dabei eine zentrale Rolle.

Einen Schimpansen könne man niemals dazu bringen, eine Banane herauszurücken, indem man ihm verspreche, dass er nach dem Tod in den Schimpansenhimmel komme. Der Mensch aber baue wegen solcher Geschichten Kathedralen. Gott, Nationen, Geld, Handel, Menschenrechte - das seien ja keine biologischen Realitäten, sondern Geschichten. Und wie bringt man Menschen dazu, sie zu glauben? Zu einem großen Anteil mittels Kunst.

Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es hier.