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Ausstellung Eine Zerbsterin auf dem Zarenthron

Zerbst in Sachsen-Anhalt, die Heimatstadt von Katharina der Großen, erzählt im Schloss von der Herrscherin.

Von Grit Warnat 01.08.2019, 01:01

Zerbst l „Schloss geöffnet“ steht an der Fassade, dort, wo das Dach fehlt und einst ausgebrannte Zimmer immer noch Wunden des Zweiten Weltkrieges tragen. Mauerreste ragen in den blauen Himmel. Es ist jener Gebäudekomplex des einstigen stolzen Residenzschlosses der Fürsten zu Anhalt-Zerbst, in dem Prinzessin Sophie Auguste Friederike lebte, jene Frau, die im 18. Jahrhundert zu einer der mächtigsten Frauen wurde.

Wer das Schloss mit seiner äußerlich immer noch verwundeten Fassade betritt, dem begegnet zwischen all dem unverputzten Backstein ein ganz besonderer Charme. Große Fotografien erinnern an architektonische Schönheit, an Ruine und Schutt. Bomben hatten am 16. April 1945 das Schloss so schwer getroffen, dass es vollständig ausbrannte. Eine spätere Sprengung ließ nur noch das Ostbauwerk der einstigen Dreiflügelanlage stehen.

Dort ist längst alles beräumt, sind die Fußböden gemacht, Decken eingezogen, Fenster eingebaut. Auf dem Weg zu den Überresten des Corps de logis, dem Mittelbau mit den zerbombten Wohnräumen der Prinzessin, erinnern Fotografien an Zerstörung und den späteren jahrzehntelangen Verfall. Wer die sanierten Räume des Corps de logis betritt, kann nur staunen über das Bewältigte.

Wenn man mit Dirk Herrmann, dem regen Vorsitzenden des Fördervereins Schloss Zerbst, durch die Räume geht, erzählt er natürlich auch von den Mühen des Aufbaus, für den sich sein Verein seit 2003 einsetzt. Aber jetzt spürt man vielmehr die Freude über die Sonderausstellung, die in diesem sanierten Komplex gezeigt werden kann. Der Besucher wandelt dort auf den Spuren Katharinas.

Alte Fotografien erinnern an die Pracht des bedeutenden Barockbaus mit seinen Orangerien im Zerbster Schlossgarten und der Kapelle, in der einst hinter Glas die fürstliche Familie Platz nahm. Es sind Blicke in eine Welt, die Prinzessin Sophie Auguste Friederike erlebt hatte – bis am 1. Januar 1744 im Zerbster Schloss die Einladung an den russischen Hof eintraf. Fürstin Johanna Elisabeth und die junge Prinzessin reisten wenige Tage später nach St. Petersburg. Die Prinzessin aus Anhalt-Zerbst wird dort bleiben, Großfürst Peter heiraten und 1762 schließlich als Zarin Katharina II. den russischen Thron erobern.

Der zweite und größere Teil der Ausstellung – alle Texte sind auf Deutsch und Russisch – ist Katharinas Zeit in Russland gewidmet. Der Besucher erlebt die Zarenresidenz Zarskoje Selo mit ihren schönsten Plätzen, die einst von namhaften Architekten, Parkgestaltern und Gärtnern erschaffen wurden. Herrmann nennt den Ort Puschkin südlich von St. Petersburg die Lieblingsresidenz der Kaiserin.

Stiche, Aquarelle und Zeichnungen als Digitalaufnahme erzählen vom früheren Aussehen der Residenz und der weitläufigen Parkanlagen, in denen Katharina wandelte. Immer wieder abgebildet ist der See, so auch auf einem Aquarell mit der Marmorbrücke. Am Ufer plaudern Männer und Frauen. Nicht viel verändert hat sich – wie eine aktuelle Fotografie zeigt. Überhaupt ist jeder historischen Abbildung eine heutige Fotografie zur Seite gestellt.

Der Vereinschef war mehrfach dort – auch, um diese deutsch-russische Ausstellung unter Dach und Fach zu bringen. „Es beglückt uns, dass unser Förderverein mit dem Weltkulturerbe kooperieren darf“, sagt er. Es hat den schön anmutenden Namen „Staatliches künstlerisch-architektonisches Park- und Palastmuseum Zarskoje Selo“.

Man kann sich schwer vorstellen, dass auch diese Zarenresidenz im Zweiten Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Erst die Sowjetunion, dann Russland haben viel Geld in den Wiederaufbau und den Erhalt gesteckt. In der DDR wurde Kulturerbe gern gesprengt.

Zerbst hat bis heute damit zu kämpfen. Aber in der Stadt darf man stolz sein, was der Verein in den vergangenen Jahren bewältigt hat. Das Schloss ist in charmanter Unperfektheit wieder zugänglich. Das Appartement der Fürstin Johanna Elisabeth, Mutter von Katharina II., das zwölf Zimmer umfasste, ist begehbar. Das Erste und Zweite Fürstliche Vorzimmer, das Audienzgemach und das Grüne Kabinett, das Schlafzimmer und das Zedernkabinett lassen einst Prächtiges erahnen. Da nichts überlebte, griff der Förderverein zu einem täuschend echten Trick: Zwei Räume wurden dank Drucktechnik visualisiert. Wie rokoko-echt wirken Bemalungen von Wänden, Decken und Türen. Auch im Schlafzimmer, das mit den unverputzten Backsteinwänden an marode Zeit erinnert, fallen die Blicke sofort auf riesige Tapisserien, wie sie einst die Wände schmückten. Es sind bestens gemachte Nachbildungen aus dem historischen Bestand des Zerbster Schlosses.

Es ist ein Glück, dass das Schloss auflebt. Schließlich begann dort die Karriere einer Frau, die Geschichte schrieb. Katharina die Große machte Russland zur Weltmacht.

Die Ausstellung läuft bis Ende Oktober. Geöffnet ist Di. bis Sa., 10 – 12 und 13 – 17 Uhr.