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Ausstellung Harzmuseum erinnert an Schierkes Geschichte

Schierke feiert seinen 350. Geburtstag. Das Harzmuseum in Wernigerode erzählt in einer Ausstellung von der Geschichte des Ortes am Brocken.

Von Grit Warnat 20.11.2019, 00:01

Wernigerode l Der Apotheker Willy Drube aus Schierke mischte einst in seiner Apotheke „Zum roten Fingerhut“ ein Elixier, das Kurgäste des Ortes von Magenbeschwerden befreien sollte. 1908 hatte er die Rezeptur für den Schierker Feuerstein perfektioniert, jenen Kräuter-Halb-Bitter, der bis heute nach ausgiebiger Mahlzeit der Verdauung helfen soll. Damals wurde er in Schierke gereicht, als der Ort gerade Kurort geworden war und noble Hotels wie Pilze aus der Erde wuchsen.

Einige originale Flaschen aus dieser Zeit sind ausgestellt. Die Flüssigkeit in einer ist ob des Alters inzwischen sirupartig verdickt. Auch zwei andere Flaschen sollen Abfüllungen vor 1945 sein. Es handelt sich um die ältesten Flaschen, die im Museum des Stammhauses in Schierke noch vorhanden sind. Die Produktion läuft heute in Bad Lauterberg.

Zurück zur Zeit nach der Jahrundertwende. Schierke blühte auf. Auf Postkarten ist imposante Bäderarchitektur verewigt. „Schierke im Harz – das deutsche St. Moritz“ ist auf einem Werbeblatt zu lesen. Das 1904 erbaute Hotel Curhaus wirbt dort mit Dampfheizung, elektrischem Licht, Lift und modernen Bädern um Gäste. Wald und Wiesen laden ein. „Rekonvaleszenten, insbesondere nach Influenza und nervöser Abspannung, finden wirksamste Genesung“, steht geschrieben.

„Schierke war Ende des 19. Jahrhunderts ein aufstrebender, mondäner Ort, der einen Tourismusboom erlebte“, sagt Museumschef Olaf Ahrens. Dem Mondänen kann man gut nachspüren. Ein Foto zeigt, wie am Bahnhof feine Hotelkutschen und ihre Fahrer auf die Gäste warten. Auf einer Zeichnung ist eine Brockenpartie dargestellt – mit eleganten Damen in schönen Kleidern und aufwendig gestalteten Hüten. Ein wohlbetuchter Herr im Sakko wischt sich den Schweiß von der glatten Stirn.

Wer Geld hatte und etwas auf sich hielt, der kam zum Kuren und Urlauben in den Oberharz. Der Magdeburger Großunternehmer Hermann Gruson besaß eine Villa in Schierke.

Als der Ort vor 350 Jahren gegründet wurde, war an einen Aufstieg zum „St. Moritz des Nordens“ mitnichten zu denken. Das Tal, in dem 1669 unter Graf Heinrich Ernst zu Stolberg eine Eisenhütte gebaut wurde, hieß vielsagend Sterbetal. Das Leben der sich ansiedelnden Hüttenleute, Köhler, Bergleute, Holzhauer war hart und entbehrungsreich.

Für die Vorbereitung der Ausstellung hatte Kurator Uwe Lagatz in etlichen Büchern und Berichten gelesen. Ein A.C. Hopstock aus Schierke hatte 1785 in einem handschriftlich verfassten Situationsbericht geschrieben: „Es lebt hier manch Alter als ein Kind, in der Unschuld, oder noch besser, in der Unwissenheit.“ Die Einheimischen seien „eine einfältige Arth von Menschen“, die sehr wenig von der Welt wüssten.

Dieses Zitat zur Einordnung des einst am Fuße des Brockens lebenden Völkchens hat es leider nicht in die Ausstellung geschafft. Der Platz für Sonderausstellungen im schönen Harzmuseum ist begrenzt. Gemälde aber hängen, die Schierke in seiner Entwicklung zeigen, jede Menge Postkarten, Plakate, Fotos. Zu sehen ist ein Gemälde von 1830, laut Ahrens die älteste Darstellung Schierkes, auf die man in den Vorbereitungen zu dieser Ausstellung im Depot gestoßen war. Es handelt sich um eine Gouache, die sich im Bestand des Harzmuseums befindet.

Exponat ist auch die Zeichnung aus dem Tagebuch eines Harzreisenden, zu sehen die Glashütte, die es von 1820 bis 1850 gab. Von dem einstigen Betrieb ist kaum Bildmaterial überliefert.

Wer sich die Ausstellung anschaut, dem fallen die Winterbilder auf mit sattem Schnee. Schierke hatte sich zum Wintersportort entwickelt. Plakate erinnern an die „Winterkampfspiele 1934“ mit Damen-Slalomlauf, Eishockey, Bobrennen. Aus der Heimatstube Schierke sind für die Ausstellung Schlitten, Ski und eine Ausrüstung des Eishockey-Sportvereins Schierke von 1950 nach Wernigerode entliehen worden. Auf dem orangefarbenen Pullover der Kluft prangt das Emblem „Sportvereinigung Einheit“.

Später dann, in der DDR, lag Schierke zu nah am Westen, der Brocken war militärisches Sperrgebiet. Trotzdem blieb die Anziehungskraft – zumindest für Auserwählte. Das legendäre Hotel „Heinrich Heine“, das sich einst „Fürst zu Stolberg“ nannte, war beliebt bei den DDR-Oberen. Mitte der 1990er wurde es geschlossen, 2016 abgerissen. Die Ausstellung blickt bis ins Heute. Schierke vermarktet sich wieder als Wintersportort mit Eisarena und neuen Unterkünften.

Wer Wernigerode zur Adventszeit besucht, der sollte über einen Abstecher vom Weihnachtsmarkt zum Harzmuseum nachdenken. Es ist nur wenige Schritte vom Markt entfernt und an den Adventssonntagen extra geöffnet.