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Ausstellung Kulturgeschichte mit Schnabel

Schloss Wernigerode gibt mit der Ausstellung "Duckomenta" Einblicke in ein Enten-Paralleluniversum.

Von Grit Warnat 24.05.2017, 01:01

Wernigerode l Wer sich einen Besuch dieser Sonderausstellung vornimmt, sollte nicht zu jenen gehören, die zum Lachen lieber in den Keller gehen. Die Duckomenta-Macher setzen beim Betrachter eine gehörige Portion Amüsierfreude voraus. Wer die in sich trägt, fühlt sich gut unterhalten von der im Frühlingsbau des Schlosses Wernigerode gezeigten Kulturgeschichte mit Schnabel. Skurril ist die. Und witzig.

Das Besucher-Lächeln fällt nicht schwer beim Anblick der Mona Lisa oder der ersten Ölskizze der Cherubini der Sixtinischen Madonna. Raffael malte seine weltberühmten Engelsfiguren ursprünglich als gefiederte Wesen.

Da ist Walther von der Vogelweide aus einer mittelalterlichen Blattsammlung als Schnabelgesicht zu sehen. Die Grabinschrift des Dichters: „Der du eine Weide für die Enten, Walther, im Leben bist gewesen.“ In Pieter Brueghels „Schlaraffenland“ liegen drei Enten faul unterm Baum. Sie üben Verzicht auf geschlachtete Enten.

In dieser Ausstellung ist alles verentet. Barock und Renaissance, Impressionismus und Expressionismus, Jugendstil und Bauhaus. 170 Mal Schnabel und Gefieder – in Öl auf Leinwand, als Aquarell auf Pergament, als bemalter Gips und erstmals auch als Porzellan.

Rembrandts Mann mit dem Goldhelm hat einen breiten Schnabel im Gesicht. Ebenso Luther, Goethe, Napoleon, Sisi, Karl Marx, Richard Wagner und Gauguins schöne Südseemädchen. Leonardo da Vinci und Vincent van Gogh porträtierten sich so, wie sie wohl wirklich ausgesehen haben: als Schnabelwesen. Und auch Otto Fürst von Duckmarck wurde so gemalt – in Anlehnung an das von Franz von Lenbach geschaffene Gemälde, das letzte zu Lebzeiten entstandene Ölporträt des Reichskanzlers.

Eckehart Bauer, Professor für Kunst- und Kultursoziologie, sagt beim Blick auf das zarte Schnabellächeln der Mona Lisa: „Wir haben das Original. Die Fälschung hängt in Paris.“

Er sagt das mit viel Verve. Und fast möchte man ihm Glauben schenken. Denn Bauer ist Enten-Fachmann. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem schwimmenden Getier und seinem Paralleluniversum, das nach seiner Aussage bis in die Urhöhle zurückreicht und über die Antike, das Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert geht. Einen Baselitz gibt es, einen Warhol und Lichtenstein.

„Unsere Ausstellung erzählt die Geschichte eines geheimen Stammes. Es sind Anatiden, die Entenähnlichen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, die Anatiden in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und Kulturen aufzudecken“, so Bauer.

Wenn Bauer von „wir“ redet, meint er seine gleichgesinnten Entenfans, damals Studenten an seiner Braunschweiger Kunsthochschule. Die bearbeiteten ein wissenschaftliches Projekt zum Walt-Disney-Konzern und die durch ihn entstandenen Comics. „Wir haben uns gefragt, warum Walt Disney ausgerechnet eine Ente ausgewählt hat.“

Anke Doepner, heute Geschäftsführerin von interDuck, gehörte damals zu seinen Studenten, die über die wissenschaftliche Vertiefung zur spaßigen Idee kamen. 1986 gab es die ersten 30 Bilder. „Alles waren nur Disneyfiguren“, erinnert sich Doepner an die Anfänge. Später dann wurde die Idee weitergesponnen. Der Gruppe, heute sind es fünf Leute, ging es um eine alternative Kulturgeschichte. „Wir hatten die Idee zu einer eigenen Entensippe.“

Immer mehr wurde erfunden. Der Enten-Kosmos umfasst mittlerweile mehr als 500 Arbeiten – alles original gemalt, in der Größe 1:1 zum meist sehr bekannten und wertvollen Original. Hinzu kommen 100 Porzellanarbeiten, Teller, (Schnabel-)Tassen, Kannen, einige erstmals gezeigt auf Schloss Wernigerode. Witzig anzusehen die Anlehnung an das einst innovative Bauhaus, von den Duckianern „Baumaus“ genannt. Gerade Linien, Rechtecke, Quadrate zieren Gedecke und werben auf einem Plakat für die „Baumaus Ausstellung 1923“. Progressive Enten gab es also auch.

Das Wort Fälschung hören die Macher nicht gern. Doepner sagt, es sind eigenständige Werke. Der einzelne Künstler des Kollektivs beschäftige sich immer mit dem Original und den jeweiligen Maltechniken. Auch die Brüchigkeit der Farbe werde reproduziert. Die Enten-Bilder ordnet sie dem Genre der Fabel zu. Dass Chefs renommierter Museen die Nase rümpfen ob der Verentung bedeutenden Kulturgutes, stört die Duckomenta-Macher nicht. Bauer kann sich gut erinnern, wie er Mickymaus-Professor genannt wurde. „Es war nicht einfach“, sagt er. Heute aber, so sagt er, eile ihnen der Ruf voraus, lustige, amüsante Ausstellungen zu machen. „Und wir erreichen Bevölkerungsgruppen, die sonst nicht ins Museum gehen. Wir wollen den Besuchern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das ist unsere Mission“, so Doepfner.

„Duckomenta“ bis 5. November auf Schloss Wernigerode, Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 5 Euro, Kinder bis 6 Jahre freier Eintritt, bis 14 Jahre 3 Euro.