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Ausstellung Revolte der Aufmüpfigen

Das Dresdner Albertinum erinnert an die alternative Künstlerszene in West- und Ostdeutschland in den 1980er Jahren.

Von Jörg Schurig 16.07.2017, 23:01

Dresden (dpa) l Das Bier floss in Strömen, in jeder Konzertpause tobte der Saal. Der Protest lag förmlich in der Luft. Im Juni 1985 fand in Coswig bei Dresden ein bizarres Festival statt. Unter dem Titel „Intermedia I“ traf sich die alternative Kunstszene der DDR. Formationen und Performance-Gruppen wie „Rennbahnband“ und „Kartoffelschälmaschine“ boten dem begeisterten Publikum ein Programm abseits sozialistischer Kunst. Schon zuvor hatte sich das Clubhaus Coswig als Adresse für ostdeutsche Subkultur einen Namen gemacht. „Es gab hier eine Empfänglichkeit für solche Verrücktheiten“, erinnert sich der damalige Mitorganisator Christoph Tannert. Eine Schau im Dresdner Albertinum erinnert nun an die wilden Jahre.

Als junger Kunsthistoriker in der DDR pflegte Tannert eine enge Verbindung zu jenen, die mit dem offiziellen Kulturbetrieb im Arbeiter- und Bauern-Staat weniger oder nichts am Hut hatten. Anfangs hatten die „Intermedia“-Organistoren nur Maler im Blick. Sie sollten Bilder auf Faltrollos malen, die man in Berlin kaufte und von hier an Künstler in der ganzen Republik schickte. Das Format war auch aus anderen Gründen geeignet. Die Bilder ließen sich gut tarnen – man musste nur das Rollo hochziehen. „Wir haben das Verbot mitgedacht“, sagt Tannert. Die Idee habe sich dann wie ein Lauffeuer verbreitet und auch Künstler anderer Sparten angelockt.

Im Westen hatte die Subkultur zu diesem Zeitpunkt schon lange die Wohnzimmer und Keller verlassen. 1981 fand im Westberliner Tempodrom das Festival „Geniale Dilletanten“ statt. Bands wie die „Tödliche Doris“ oder die „Einstürzenden Neubauten“ sorgten für Punk und andere neue Töne. Das Wort „Dilletanten“ war bewusst falsch geschrieben. Es avancierte zum Synonym einer Kultur, zu der Attribute wie laut, schrill oder provokativ passen. Hilke Wagner, Direktorin des Dresdner Albertinums, ist sich sicher, dass die Szene im Osten kein Abklatsch der Subkultur im Westen war und eigenen Wurzeln besaß. Ohnehin habe man im Osten gegen ganz andere Widerstände ankämpfen müssen.

„Es gibt Ähnlichkeiten, aber auch große Unterschiede“, meint Tannert und verweist auf andere Vertriebswege und Auftrittsorte. Während in Westdeutschland die Szene offen agieren und große Hallen anmieten konnte, standen den DDR-Punks zunächst nur Kirchen offen. Tannert will nicht mit Bestimmtheit sagen, dass die ostdeutsche Subkultur politischer war. Durch die Stationierung von Raketen in Ost und West habe es damals hier wie dort eine Politisierung gegeben.

Die Schau im Albertinum blickt auf diese wilden Jahre zurück. Die Ausstellung „Geniale Dilletanten“ ist passenderweise in einem Ost-West-Flügel des Gebäudes eingerichtet. Der Besucher kann auch thematisch vom Westen in den Osten gehen oder umgekehrt. Fotos, Bilder, Videos, Plakate, Platten und Covers geben einen Einblick in eine zornige Welt, die manches Mal auch schmunzeln lässt. Auf einem Tisch sind Instrumente abgelegt, die die Ostberliner Band „Ornament und Verbrechen“ bei ihren Auftritten nutzte. Auch die Kinderzither Musima, ein Gartenschlauch mit Klarinettenmundstück und ein um Saxofon umgebauter Moped-Auspuff gehörten dazu.

Die Schau basiert auf einer Wanderausstellung, die das Goethe Institut 2013 konzipierte und die unterdessen in mehreren Städten im Ausland sowie in München und zuletzt in Hamburg zu sehen war. Im Albertinum wirkt die Präsentation über die jungen Wilden recht brav. Hilke Wagner räumt ein, dass dies eine Konzession an das Dresdner Publikum sei, das gemeinhin als eher konservativ gilt. Hamburg habe das „ein bisschen schmutziger“ gemacht, sagt die Direktorin.

„Geniale Dilletanten“ ist bis zum 19. November im Albertinum zu sehen. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen.