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Ausstellung Schiffe, Räder, kubische Häuser

Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg feiert 30. Geburtstag mit der Ausstellung "Bauhaus am Schlossberg".

Von Grit Warnat 06.07.2016, 01:01

Quedlinburg l Das 1910 entstandene Selbstbildnis Feiningers mit Tonpfeife hatte der Künstler 1933 selbst entsorgt. Auch die „Villa an der Seine“, ein frühes Werk Feiningers, auf dem die Faltstellen deutlich erkennbar sind, hatte dem anspruchsvollen Künstler nicht gepasst. Hermann Klumpp, den mit Feininger die Arbeit am Bauhaus und eine sich dabei entwickelnde Freundschaft verband, sicherte beide Arbeiten.

Später, als die Nazis an die Macht kamen, die Lage des Bauhäuslers schwierig wurde, seine Werke als entartet diffamiert wurden, sicherte Klumpp erneut das, was Feininger nicht auf die weite Reise mitnehmen konnte. Klumpp verwahrte jahrzehntelang einen wahren Bilder-Schatz in seinem Haus in Quedlinburg.

Ölgemälde, Grafiken, Skizzen haben überlebt und waren Grundstock für eine der letzten Museumsgründungen in der DDR. Seit 17. Januar 1986 gibt es in Quedlinburg die Lyonel-Feininger-Galerie. Sie betreut als Dauerleihgabe den weltweit größten Einzelbestand an Feiningers Druckgrafik.

Jetzt zum 30. Geburtstag hält die Galerie Rückschau auf eine bemerkenswerte Entwicklung des Hauses und präsentiert dem Besucher den deutsch-amerikanischen Maler als vielseitigen Bauhäusler, als kreativen Geist, der die Karikatur liebte, freudig seine Spielzeugstadt konstruierte, mit großer Leidenschaft Schiffsmodelle baute und ein Rädernarr war.

Anfangs karikierte er Radfahrer, schuf zahlreiche Blätter, die in Satirezeitschiften erschienen. Später schaffte der Fahrradfreund sich selbst ein Rad an. Seine „Cleveland Ohio“ ist ausgestellt – mit Holzfelgen und der original Luftbereifung. 1000 Kilometer soll Feininger mit ihr gefahren sein, die Strecken sind im Fußboden aufgemalt. Mark Brandenburg, Ostseeküste, Weimarer Land. Passend gehängt sind dazu seine Naturnotizen von Lichterscheinungen und Wolkenkörpern, die sich in den Ostseebildern und seinen Landschaftsarbeiten wiederfinden.

„Die Ostsee war seine große Passion“, sagt Michael Freitag, der Leiter der Galerie. Fast jeden Sommer sei Feininger an der See gewesen, habe unzählige Skizzen und Studien angefertigt. Die Ausstellung erinnert an diese große Passion mit Meeresbildern, Ostseestränden und Schiffen. Gemälde waren entstanden wie jene von Rügen, von denen fünf zur Sammlung gehören.

Ausgestellt sind auch mehrere Schiffsmodelle, die Feininger mit Hingabe gebaut hatte. Galerie-Chef Freitag spricht von handwerklich akribisch gebauten Modellen, deren Seetüchtigkeit vom Künstler und dessen Söhnen auch auf dem Wasser getestet wurde. Feininger hat seine Modelle auch mit der Kamera festgehalten. Auch entsprechende Fotos hat Freitag für die Ausstellung zusammengestellt.

Die Ausstellung zeigt viele Sichten auf den Künstler. Natürlich dürfen da seine kubistisch angelegten Holzschnitte nicht fehlen, die er hundertfach ausführte. Rathäuser, Kirchen von Troistedt, Zottelstedt, Gelmeroda.

Und da die Ausstellung „Bauhaus am Schlossberg“ überschrieben ist und im Rahmen des landesweiten Projektes „Große Pläne!“ beworben wird, blickt die Schau auch nach Dessau. Der Holzschnitt „Kathedrale“ ist zu sehen, einst Titelblatt des Bauhaus-Gründungs-Manifestes, das Strahlen über einem Kirchenbau vereint und die Bereiche Architektur, Malerei, Skulptur versinnbildlichen soll. 1919 war er entstanden, in jenem Jahr, in dem Walter Gropius den Künstler ans Bauhaus holte. Ab 1920 hat Feininger die dortige Druckwerkstatt geleitet.

Aus jener Zeit stammt auch der Grafikschrank, in dem er einst seine Zeichnungen und Skizzen aufbewahrte. „Anfassen verboten“ steht nirgends geschrieben. Michael Freitag nimmt bereitgelegte Tücher und öffnet vorsichtig den Schrank, in dem wie einst bei Feininger Zeichnungen sichtbar werden. Es ist erwünscht, die vier oberen Schubladen zu öffnen. Feininger also hautnah. Ausgestellt ist auch eine seiner einst drei Staffeleien.

Es ist ein Teil des reichen Bestandes, der zum Jubiläum der Öffentlichkeit präsentiert wird. Und da Michael Freitag als vordringliche Museumsaufgabe nicht nur den Erhalt des kostbaren Bestandes um Feininger sieht, sondern das Haus auch stärker als Museum der grafischen Künste etablieren will, zeigt er mit 30 ausgewählten Meisterwerken, was im Depot so alles schlummert: Ernst Barlach, Max Beckmann, George Grosz, Emil Nolde, Käthe Kollwitz, Max Pechstein.