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Ausstellung Skizzierte Grüße von der Front

Otto Schubert schrieb Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg an seine Verlobte Irma, die im Kunsthaus Salzwedel zu sehen sind.

Von Grit Warnat 17.08.2017, 01:01

Salzwedel l „Liebe Irma!“ Die Anrede in Sütterlinschrift steht unten oder oben, links oder rechts des Kartenrandes. Da ist nur ein schmales Plätzchen übrig. Denn Otto Schubert malt lieber, als dass er schreibt. So sind seine Postkarten, blanko vom Militär zur Verfügung gestellt, gemalte Dokumente aus einem Weltkrieg, der Abermillionen Menschen das Leben kostete. Schubert erlebte die Westfront und das Schlachten von Verdun. Und er schickte seiner Verlobten Irma Müller im heimatlichen Dresden „Liebe Grüße aus Feindesland“.

Eine Postkarte zeigt Flammen aus einem Haus emporschlagen, eine andere Kreuze vor dunklen Bäumen. Auch der Himmel ist düster. Abendstimmung an der Front, schreibt Schubert dazu.

Was er skizziert, was er als Aquarell seiner geliebten Irma geschickt hat, zeigt aber kein Morden und Wüten der Kriegsparteien. Viele seiner ins Heimatland geschickten Karten zeichnen ein meist ruhiges Bild vom Soldatenleben. Die Ankunft beim Adressaten war somit gewiss. Es gab Zensur.

Und doch schickte Otto Schubert kleine Botschaften auf die Reise. Hinter seinen meist kurz gefassten Bemerkungen sind immer wieder Fragezeichen zu entdecken. Drei Männer mit nacktem Oberkörper um einen Wassertrog. Schubert notierte: „Waschen?“ Und auch hinter Soldaten am Tisch in eher trauter Runde hat er hinter den Vermerk „Kaffeetrinken“ ein Fragezeichen gesetzt. Der Betrachter kann es wohl als Zeichen für seine Irma deuten, die das friedvoll dargestellte Kameradschaftsleben hinterfragen sollte.

Dunkle Töne überwiegen bei seinen Darstellungen von Kriegsruinen, Gefangenen, Soldaten auf der Heimkehr von der Schanze. Ein Aquarell zeigt den Unterstand in düsterer Atmosphäre. „Liebe Irma“ schreibt der Student der Kunstakademie Dresden. Für seine Geliebte sind es Lebenszeichen aus dem Schützengraben. Wer sie sieht, den beschäftigt die Frage, was die daheimgebliebene Geliebte beim Eintreffen dieser Post gefühlt haben muss.

Friedvoll dann seine Landschaften. Kleine Serien hat er hinterlassen. Felder, Wälder, Häuser, Dörfer mit Kirche. Ein sonniger Tag in den Ardennen. Man spürt, dass der junge Kunststudent die Fremde wie ein Schwamm aufgesogen haben muss. Er war in Frankreich, dem Sehnsuchtsland mancher Maler. Auch er wollte die Schönheit der Landschaft wahrnehmen. Es war seine Sehnsucht nach Frieden.

Das Kunsthaus Salzwedel stellt 75 sehr persönliche und bestens erhaltene Kartengrüße aus. Mit dabei ist auch Schuberts letzte Frankreichkarte. Datiert vom 7. April 1916 ist sie unfertig geblieben. Der junge Kunstmaler ist in der Schlacht von Verdun schwer verletzt worden. Im Mai war er dann in der Pfalz, weg von dem unbarmherzigen Stellungskrieg, der in die Geschichte einging.

Otto Schubert ist heute fast vergessen. Der Künstler, der nach seiner Genesung Meisterschüler war und 1919 zusammen mit Otto Dix, Conrad Felixmüller und anderen die „Dresdner Sezession“ Gruppe gründete, verlor beim Bombenangriff auf Dresden nicht nur seine Ehefrau Irma, sondern sein Atelier und viele seiner Werke. Seine sehr persönlichen Lebenszeichen aus dem Schützengraben aber überstanden Krieg und Zerstörung und gehören heute zu einer Privatsammlung. Erst jüngst wurden sie in Washington (USA) gezeigt. Dort wie auch im Kunsthaus Salzwedel kuratierte Irene Guenther.

„Liebe Irma! Die schönste Stunde des Tages. Die Post ist da gewesen“, steht am Rande einer Karte. Grüße voller Hoffnung. „Aber in der Zeitung steht nichts vom Frieden?!“

Weitere Informationen gibt es hier.