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Ausstellungen China hinter Glas

Die neue Sonderausstellung auf Schloss Wernigerode gibt jetzt einen seltenen Einblick in eine ferne Welt.

Von Grit Warnat 24.12.2016, 00:01

Wernigerode l Indien, die Maharadschas und deren wertvolle Schmuckkunst war thematisch ein Novum auf dem Schloss hoch über der Stadt. Jene, die das märchenhaft anmutende Ensemble in den vergangenen Monaten besucht haben, sahen meist auch dieses meisterliche Handwerk aus Gold und Silber, Diamanten und Perlen. 100  000 Besucher, so sagt Schloss-Geschäftsführer Christian Juranek, sollen die Sonderschau gesehen haben. Jetzt legt er mit einem Blick in die Ferne nach. Schließlich hat Juranek den Schwerpunkt der Ausstellungstätigkeit im Jahr 2016 auf das 19. Jahrhundert und Asien gerichtet. Die Räumlichkeiten im Frühlingsbau hängen voll mit historischer Hinterglasmalerei aus China.

Die vom Thema her außergewöhnliche Maharadscha-Schau war Ausgangspunkt für das jetzt nachfolgende Projekt. Nicht nur, dass Juranek über die Indien-Schau das Sammlerehepaar aus Süddeutschland kennengelernt hatte, sie war auch eine erste Zusammenarbeit mit den Augsburger Kunstsammlungen. Jetzt gibt es Teil zwei dieser Kooperation. Nach dem Ende der Schau am 16. April werden die Exponate nach Augsburg wandern.

Bis dahin sind 135 Werke in intensiven, leuchtenden Farben im Schloss zu sehen. Sie sind jener Teil der privaten Sammlung, der die Arbeiten zwischen 1860 und 1940 erfasst, eine Zeit, in der sich eine eigene chinesische Motivtradition herausgebildet hatte. Hinterglasbilder waren in China verbreitet, sind in Zeiten der sogenannten Kulturrevolution aber der Zerstörungswut der Roten Garden zum Opfer gefallen. Dadurch sei diese Kunst praktisch aus dem Gedächtnis der Chinesen verschwunden, sagt Juranek. Es gebe keine öffentlichen Sammlungen, nur einige unzugängliche Arbeiten im Pekinger Kaiserpalast – und Werke in Händen privater Sammler.

Die Ausstellung gibt Einblick in die Hinterglasmalerei, jene Kunst eines seitenverkehrten und umgekehrten Malvorganges. Es ist eine alte Technik, die schon in der Antike genutzt wurde, sich im Mittelalter in Europa ausbreitete, später durch serielles Arbeiten aber nicht mehr die einstige Wertschätzung erfuhr, obwohl sich im 20. Jahrhundert auch Künstler wie Gabriele Münter und Wassily Kandinsky der Kunstform angenommen haben.

Vor allem aber zeigt die Ausstellung ein China zwischen Tradition und Aufbruch in die Moderne. Die Arbeiten zeigen immer wieder bäuerliches Leben, Reisigsammler, Angler, Menschen bei der Feldbestellung, fernöstliche Landschaften, Geister, die den Menschen erscheinen, traditionelle Glücksmotive, Episoden aus der Literatur, aber ebenso Porträts junger Frauen auf dem Weg zur Emanzipation. Da wurden Telefonistinnen bei ihrer Büroarbeit gemalt, deren Miniaturfüßchen an das schmerzhafte Fußeinbinden erinnern.

Dass die fragilen Arbeiten nach Wernigerode reisen konnten, ist nicht nur der Kooperation mit den Augsburger Kunstsammlungen, sondern auch einigen Überredungskünsten Juraneks zu verdanken. Er hatte das Sammlerehepaar zu den Schlossfestspielen im Sommer eingeladen. Danach stand fest: Die nächste Ausstellung zeigt China hinter Glas.