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Bachmann-Preis Kunstfigur mit Schnauzer und Wampe

Das Wettlesen um den Bachmann-Preis ist ein Literaturfest im Pop-Format. Der Gewinner 2017 passt da ganz ins Konzept.

Von Sandra Walder 09.07.2017, 23:01

Klagenfurt (dpa) l Zunächst zierte sich der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz noch. Vor drei Jahren lehnte die Kunstfigur, die ansonsten am Theater arbeitet, einen Auftritt im Rennen um den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis noch ab. „Ich habe ihn damals schon angeschrieben, aber nur einen Korb bekommen“, erinnerte sich die Jurorin und Kritikerin Sandra Kegel an ihre erste Annäherung an Schmalz. Drei Jahre später heimste der klare Favorit des Wettlesens in Klagenfurt den Hauptpreis ein.

„Ich weiß noch nicht so recht, wie ich mich fühle“, sagte der 1985 in Graz geborene Schmalz nach seinem klaren Sieg mit einem Grinsen im Gesicht. Mit seinem lebhaften Vortrag, seiner skurril-lustigen Geschichte sowie Schnauzbart und Hut war er in diesem Jahr der ideale Kandidat für das ganz und gar nicht verstaubte Format der Literatur-Casting-Show.

In Schmalz‘ Geschichte klingelt ein Lieferant von Tiefkühlkost an der Tür eines krebskranken Mannes mit Vorliebe für Rehragout an. Der kündigt ihm ohne jede Verzweiflung, vielmehr in durchdachter Erhabenheit, seinen Suizid an. Er wolle eine Überdosis Schlaftabletten nehmen und dann in die Gefriertruhe steigen, lässt Schmalz seine Figur Dr. Schauer sagen. Einen schöneren Tod könne er sich nicht vorstellen. Der Lieferant möge später seinen eingefrorenen Leichnam in der Morgensonne wieder auftauen lassen, so seine Bitte. Als der Angestellte dem ungewöhnlichen Auftrag nach allerlei philosophischer Überlegungen nachkommen will, ist die Truhe leer, „darin nur nichts. kein kalter schauer. nur kalte luft, die ihm entgegenstürzt“, schließt der Text.

Das Stück setzt den Trend für Skurriles und leicht Verständliches fort, das durch vermeintlich profane Alltagsgeschichten Tieferes herausarbeitet. „Manchmal wache ich auf und denke: Heute bin ich ein Ei. Zugegeben: Das passiert mir nicht oft“, hieß es etwa im Text der in Berlin lebenden Vorjahresgewinnerin Sharon Dodua Otoo.

Die weiteren Auszeichnungen in diesem Jahr schließen daran an. Die 12.500 Euro des neu gestifteten Deutschlandfunk-Preises gingen an den österreichisch-amerikanischen Autor John Wray für seinen verschachtelten Geschwistertext „Madrigal“. Den Kelag-Preis mit 10 000 Euro konnte der Deutsche Eckhart Nickel mit dem Text „Hysteria“ über verdächtige Himbeeren für sich entscheiden.

Die Auszeichnung von 3sat über 7500 Euro ging an die Schweizerin Gianna Molinari für die Aufarbeitung des Schicksals eines Flüchtlings. Die Zuschauer stimmten am häufigsten für Karin Peschka ab. So ging der mit 7000 Euro dotierte Publikumspreis an die Linzerin für ihren apokalyptischen Text über ein vermeintlich schwaches Kind und starke Hunde.

Das jeweils rund 25-minütige Wettlesen der 14 Autoren und die anschließende Jury-Diskussion wurden seit Donnerstag live von 3sat übertragen. Das Festival gilt als ein wichtiges Forum der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.