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Ballett Das Leben ist eine Choreographie

Wenn Antanina Maksimovich tanzt, lebt sie ihren Traum. Die Ballerina vom Theater Magdeburg erhält den Förderpreis für junge Künstler.

Von Emily Engels 05.04.2017, 01:01

Magdeburg l Als Kind hat Antanina Maksimovich manchmal einfach drauflosgetanzt. Damals kannte sie keine Ballettregeln, sie hatte keine Spitzenschuhe, sie wusste noch nicht einmal, dass Ballerinas auf dieser Welt existieren. Trotzdem waren sie da: die Melodien und Bilder in ihrem Kopf. Und der Drang, sich dazu zu bewegen. „Auch, wenn es keine Musik gab, habe ich sie mir vorgestellt und es sind kleine Choreographien in meinem Kopf entstanden”, sagt sie. Wenn Antanina Maksimovich von den Erinnerungen aus ihrer Kindheit erzählt, spricht sie mit ihrem ganzen Körper. Ihre Augen strahlen, ihr Lächeln ist ansteckend und manchmal wirft sie die Arme nach oben, als wäre sie gerade auf der Bühne.

Durch einen großen Zufall erfuhr sie, dass man Tanz studieren kann. „Mein Vater traf auf der Straße eine alte Studienkollegin, die ihm vom Vortanzen an der Staatlichen Ballettschule in meiner Heimatstadt Minsk erzählte”, so die gebürtige Weißrussin. Zwei Wochen später tanzte sie vor. „Drei Tage lang wurde ich geprüft - und hatte Glück, denn ich wurde angenommen”, erzählt sie. Als sie ein halbes Jahr auf der Schule war, wusste sie: „Ich will eine Ballerina werden - nichts anderes. Das Wort „Ballerina” spricht sie mit ihrem russischen Akzent so melodiös und sorgsam aus, als spreche sie von einem wertvollen Schatz.

Das Leben als Schülerin an der Minsker Ballettschule war hart. „Wir haben von 8 Uhr morgens bis manchmal 20 Uhr abends Unterricht gehabt”, erinnert sich Antanina Maksimovich. Manchmal hat die ehrgeizige Ballerina bis spät in die Nacht geübt.

Gut kann sie sich an ihre ersten Spitzenschuhe erinnern. „Ich war zwischen elf und zwölf”, sagt sie. Die Schuhe wurden direkt im Theater gemacht und seien im Vergleich zu den Spitzenschuhen, die sie heute trägt, ein Unterschied zwischen Tag und Nacht. „Sie sind so leicht zerbrochen”, sagt sie lachend und veranschaulicht mit einer Handbewegung, wie instabil die Schuhe gewesen sein müssen. „Manchmal sind die Schuhe bereits nach einem Tag kaputtgebrochen”, meint sie. Ständig mussten die Ballettschüler mit Nähgarn und Kleber von den Schuhen retten, was zu retten war.

Später habe es dann Spitzenschuhe aus Russland gegeben. Antanina Maksimovich erinnert sich: „Die waren so teuer.” Denn in Weißrussland, so erzählt sie weiter, seien die Gehälter viel niedriger gewesen. Erst später habe sie realisiert, was für Opfer ihr Vater bringen musste und wie schwer es gewesen sein muss. Antanina Maksimovich hat noch zwei Schwestern, ihre Mutter ist gestorben, als sie zwei Jahre alt war. „Ich bin so dankbar, dass mein Vater mir meinen Traum vom Tanzen erfüllt hat und mir selbst in schweren Zeiten das Geld für Spitzenschuhe gegeben hat”, erzählt sie.

Nach der Schulausbildung tanzte Antanina Maksimovich zunächst in Minsk und in Vilnius, Litauen. In der Spielzeit 2012/2013 holte sie der Ballettdirektor Gonzola Galguera für eine besondere Rolle nach Magdeburg: die Rolle der Julia. Die Solistin erinnert sich noch genau an einen Abend am 3. April, ihrem Geburtstag. „Anstatt feiern zu gehen, habe ich Julia getanzt - vor meinen Freunden”, sagt sie und da ist es wieder, das Strahlen, das ihr ins Gesicht geschrieben steht. Sie erzählt weiter: „Für mich war es das schönste Geschenk.”

Während der Unterhaltung spricht Antanina Maksimovich oft davon, wie viel Glück sie in ihrer Karriere hatte. All dieses Glück wäre jedoch nichts wert, wenn sie nicht unermüdlich gearbeitet und in den richtigen Momenten die Initiative ergriffen hätte. So jedenfalls war es letztes Jahr, als sie ihr erstes größeres Stück selbst entwickelt und choreographiert hat. „Eines der drei Mädels, die das Stück entwerfen sollten, ist abgesprungen. Da habe ich sofort gesagt, dass ich es gerne mal versuchen will”, erzählt Antanina Maksimovich.

Die Choreographie für das Stück „Quo Vadis”, das im Rahmen der Reihe „Tanzbegegnungen 2016” im Schauspielhaus Magdeburg gelaufen ist, hat sie vor allem morgens entwickelt. „Ich bin um 6 oder 7 Uhr aufgestanden, habe meine Möbel beiseite geschoben und habe losgetanzt”, sagt sie lächelnd. Abends sei sie zu müde gewesen, denn natürlich hatten sie nebenbei noch die regulären Proben. „Zu dem Zeitpunkt haben wir auch noch Lorca aufgeführt. Es war alles sehr viel - aber auch sehr schön. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden”, so die Tänzerin.

Was sie wachgehalten hat? Antanina Maksimovich lacht und sagt: „Kaffee, Kaffee und noch mehr Kaffee.”

Genauso wichtig wie die harte Arbeit und das tägliche Training sind die Ruhephasen für Antanina Maksimovich. Sie braucht neben viel Schlaf auch Entspannung. Letztere bekommt sie durch Wellness oder durch Meditation. Und durch einen wichtigen Mitbewohner: Ihre Russisch-Blau-Katze Pafnusha. Die Katze hat sie, seit sie in Vilnius getanzt hat und die beiden sind seitdem unzertrennbar.

Ihre Liebe zu Tieren hat sie wohl von ihrer Schwester Olga geerbt. „Sie hat zwei Kinder und einen kleinen Zoo zu Hause”, sagt sie und zählt auf: „Zwei Katzen, ein Meerschweinchen, Papageien und einen Hamster.”

Bei ihrer Schwester fühlt sie sich geborgen, für sie ist sie nicht Antanina Maksimovich, die erfolgreiche Ballerina, sondern schon ihr Leben lang einfach die kleine Schwester „Tonishka”.