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Bild-Text-Band Ein Lichtmaler im Harz

Der Fotograf Ingo Panse war mit Lampen, Strahlern und Kamera des nachts im Harz unterwegs und setzte die Landschaft in ein besonderes Licht.

Von Grit Warnat 28.07.2017, 01:01

Magdeburg l Die urige Schäfereiche bei Bad Suderode hat einer Sage nach den Angriff des Teufels überlebt. Der Teufel hatte den Blitz gegen einen unter der Eiche stehenden Schäfer geschleudert. Der Hüter konnte dem Blitz ausweichen, der Baum nicht. Der Blitz schlug in ihn ein. Seitdem steht er hohl da, lebt aber fort und lässt jedes Jahr ein neues Blätterdach aus seinen knorrigen Ästen wachsen.

Bei Ingo Panse leuchtet dieses Naturdenkmal wie nach diesem überlieferten Blitzeinschlag noch einmal feurig auf. Der Stamm scheint zu glühen in tiefer Nacht und erinnert an einen Waldgeist. Künstliches Licht macht das möglich. Mit Halogenstrahlern und LED-Taschenlampen hat der Fotograf den etwa 600 Jahre alten Baum für das Foto in Szene gesetzt. Lightpainting heißt diese Art der Fotografie. Seit 1998 ist Panse solch ein Lichtmaler und schafft geheimnisvolle Orte durch Illumination und sehr lange Belichtungszeiten.

Im Mitteldeutschen Verlag Halle sind seine Arbeiten bereits im Bild-Text-Band „Mystischer Harz“ erschienen, jetzt legt der Könneraner mit „Geheimnisvoller Harz“ nach. Der in Gernrode lebende Bernd Sternal hat erneut jedem Foto eine kurze erhellende Geschichte beigefügt, für die er aus Sagen, Mythen und Legenden schöpft.

Wer den Harz als Wanderer kennt, gern links und rechts des Weges schaut, wird vielleicht manche Klippen, Felsen und Burgruinen wiedererkennen, möglicherweise auch die von Panse abgelichteten Menhire, Sühnekreuze, Höhlen, Kultstätten und die stolzen Baumveteranen. Doch Panses Blick ist ein anderer als der eines Wanderers. Er findet Szenerien, die bei Tageslicht eher banal wirken und erst nachts mit Licht eine besondere Magie ausstrahlen. Panse setzt ganz auf Stimmungen, er zeichnet mit Licht. Sein Selkefall zwischen Mägdesprung und Alexisbad erinnert an einen verwunschenen Märchenwald. Der wildromantische Kuhstall, eine Sandsteinhöhle in der Nähe der Teufelsmauer, glüht bei Panse wie ein Lavastrom. Den fast vier Meter aufragenden Benzingeröder Menhir lässt er in den bläulich-lilafarbenen Nachthimmel emporragen. Riesen mit ihren gewaltigen Kräften sollen die Felsen einst wie Speere geworfen haben. Bis heute stecken sie im Boden des Harzvorlandes, schreibt Sternal.

In Szene gesetzt hat der Fotograf ebenso die Ascherslebener Speckseite, auch solch ein Menhir, ein einst von Menschenhand aufgestellter Stein. Wie auf einem Gemälde des großen Romantikers Caspar David Friedrich lugt der Mond zwischen Ästen hervor.

Immer wieder spielt der Lichtmaler mit dem Mond, mal gruselig-schaurig hinter Schleierwolken, mal schmal als Sichel am klaren Sternenhimmel oder als Spiegelbild im Quelltopf der Thumequelle. Und er nutzt seine Lichtquellen, um im Dunkel der Landschaft gezielt die Blicke zu lenken auf Felsen und ihre Öffnungen. Wie Schatzkammern funkeln die Scherstorklippen, wo Donnergott Thor einst den Felsen in zwei Teile gespalten haben soll, und die Tidianshöhle an einem Hang im schönen Selketal. Autor Bernd Sternal schreibt denn auch über diese nicht leicht zu findende Höhle, um die sich seiner Meinung nach die bekannteste aller Harzer Goldsagen rankt, nämlich jene vom Gold der Tidianshöhle. Ein Hirte, dem die Kuh entlaufen war, suchte das Tier und stieß auf die Höhle. Der Boden soll mit Goldsand bedeckt gewesen sein. Man liest die Sage und sieht die Fotografie und meint, dieses Gold vor Augen zu sehen.

 

„Geheimnisvoller Harz – Im Zauber der Nacht“ ist im Mitteldeutschen Verlag Halle erschienen, 16,95 Euro, ISBN 978-3-95462-826-1. Der Fotograf Panse zeigt zudem noch bis zum 31. August seine Arbeiten in einer Ausstellung in der Alten Kirche Bad Suderode. Geöffnet: dienstags und donnerstags 15 bis 17 Uhr.