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Bildende Kunst Immer wieder der Mensch

Eine Auswahl der Kunstwerke des im April verstorbenen Dodendorfer Bildhauers Klaus Thiede soll posthum in einer Ausstellung gezeigt werden.

Von Grit Warnat 14.07.2016, 01:01

Magdeburg l Sommerblumen im hohen Gras. Es grünt und blüht im idyllischen Garten hinter dem Haus. Ein großes Schneckenhaus liegt unter einem Obstbaum. Die spiralförmig gewundene Schale ist aus Stein, gehauen von Klaus Thiede. Im Gegensatz zu vielen seiner anderen Arbeiten, die heute in Parks, auf Plätzen und Schulhöfen in der Region zur Kunst im öffentlichen Raum gehören, hat die Schnecke im eigenen Garten ein ruhig-beschauliches Plätzchen gefunden.

Versteckt hinter Sträuchern der Arbeitsplatz. Werkzeug hängt dort, große Holzklüpfel, ein Stein auf einem Sockel. Hier wurde eine Arbeit angefangen, aber nicht weitergeführt. Klaus Thiede, der Bildhauer aus Dodendorf, war am 3. April im Alter von 77 Jahren gestorben. „Er hat immer gearbeitet. Bis zum Schluss“, sagt Annegret Thiede, eine der beiden Töchter.

Sie sortiert den Nachlass, plant mit Weggefährten des Vaters eine Ausstellung in Magdeburg. Der Gedanke sei bei der Beerdigung gekommen, sagt sie. Eine Ausstellung als eine andere Form des Abschiednehmens.

Klaus Thiede war immer dem Stein verbunden. Nach einer Uhrmacherlehre in den 1950er Jahren wurde er sogleich Steinmetz, vervollkommnete seine Fähigkeiten an der Fachschule für Angewandte Kunst. 1963, als er seinen Abschluss als Bildhauer in der Tasche hatte, ging er an die Dombauhütte Magdeburg. Lange Zeit war er denkmalpflegerisch tätig. Der gotische Dom in Magdeburg, das Kloster Unser Lieben Frauen, der Dom zu Halberstadt, Schlösser zwischen Leitzkau, Zerbst und Merseburg wurden seine Arbeitsorte. 1975 wurde Klaus Thiede freischaffend.

Seine Tochter Annegret, Architektin in Berlin, kann sich kaum drehen und wenden im Atelier des Vaters. Dicht stehen dessen Arbeiten. Vieles ist aus Stein, einiges auch aus Holz. Thiede hat sich in den 1980er Jahren bei Holzbildhauersymposien probiert. Doch der Stein, so sagt seine Tochter, ist immer sein Metier geblieben. Ebenso der menschliche Körper.

Tatsächlich begegnen Körper dem Betrachter in allen Formen. Liegend, sitzend, stehend, hockend. Sinnend, lesend, ruhend, träumend. Aus dem kompakten Stein konnte Thiede Haare wehen, ein Kleid flattern, auf einer Flöte spielen lassen. Eine Schwangere legt ihre Hand liebevoll auf den sich wölbenden Bauch. Frauen verdecken mit ihren Händen wie peinlich berührt den Schritt. Eine ähnliche Gestik bei der Arbeit „Schutzsuchender“.

Auch in seinen Zeichnungen ist es immer wieder der menschliche Körper, den Thiede aufs Papier bannte. In Mappen liegen unzählige Aktzeichnungen. Es waren Studien, zeichnerische Momentaufnahmen, Skizzen für Arbeiten in Stein. Thiede reduzierte dabei, konzentrierte sich ganz auf die Linie. „Weniger geht fast nicht“, sagt sein ehemaliger Künstlerkollege Ulrich Wohlgemuth beim Durchblättern. Gesichter sind angedeutet, nur selten und äußerst sparsam arbeitete der Künstler mit Schattierungen. Wie Thiede reduzierte, wie er den menschlichen Körper sah, wie er erste grobe Skizzen auch in Ton umsetzte, soll die Ausstellung noch einmal zeigen. Zeichnungen werden Skulpturen ergänzen.

Noch bevölkern die Exponate das Atelier. Annegret Thiede steht in der Menge der steinernen Körper. Sie streicht den Frauen über den Kopf, verharrt, streichelt weiter. „Vater mochte es, wenn man seine Plastiken angefasst hat“, sagt sie.

Eröffnung am 21. Juli, 19.30 Uhr, Galerie Süd, Feuerwache Magdeburg. Ausstellung bis 26. August.