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Bildband Melancholie des Siegers

Der Fotoband "Vergessene Sieger" von Joachim Liebe zeigt eindrucksvoll den Abzug der russischen Truppen und ihr zurückgelassenes Erbe.

Von Hagen Eichler 29.07.2015, 01:01

Magdeburg l Die klobigen Stiefel glänzen, mit weißen Handschuhen, weißem Koppel und aufgepflanztem Bajonett sind die russischen Soldaten auf dem betonierten Kasernenhof angetreten. Hinter sich: ein gewaltiges Wandgemälde mit wehenden Fahnen, fünfzackigem Sowjetstern und dem stolzen Wort Pobeda (Sieg). Vor sich: eine unsichere Zukunft – es ist März 1994 in Potsdam, die letzte russische Parade vor dem Abzug aus Deutschland.

Der Potsdamer Fotograf Joachim Liebe hat den Moment festgehalten. Sein neuer Bildband enthält viele Bilder vom Abschiednehmen, trist und oft wehmütig. Da ist der Muschkote, der selbstvergessen auf der Gitarre klimpert; da quälen sich Rekruten mit Liegestützen auf gefrorenem Boden, während deutsche Kasernenbesucher im Wintermantel mitleidig lächelnd vorbeigehen.

Aktuelle Bilder zeigen zudem zurückgelassene Sowjet-Symbole, die bis heute in ostdeutschen Orten verwittern. Sie stehen für den doppelten Charakter der Roten Armee: heroische Siegerin über Hitler und zugleich ungeliebte Besatzungsmacht. Als die russichen Truppen abzogen, empfanden das in Moskau einige durchaus als Demütigung – ein Gefühl, das der Kreml heute viruos für seine Politik nutzt.

Joachim Liebe: "Vergessene Sieger", Mitteldeutscher Verlag, 160 Seiten, 24,95 Euro.