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Biografie Die Wahrheit über Papa

„Sing, mei Sachse sing!“ und auch „Gold in deinen Augen“ stammt von Schlagerkomponist Arndt Bause. Er wäre jetzt 80 Jahre alt geworden.

30.11.2016, 05:43

Berlin (dpa) l Wie am Fließband schrieb Arndt Bause Ohrwürmer für Schlagersänger in der DDR. Viele wurden damit zu Stars. Mit „Gold in deinen Augen“ begann 1972 etwa die erfolgreiche Karriere von Frank Schöbel. „Erna kommt“ war das Lied, mit dem aus dem unbekannten Wolfgang Lippert der Hit-Sänger „Lippi“ wurde. Und „Jetzt kommt dein Süßer“ klingt noch immer im Ohr, wenn man an Helga „Henne“ Hahnemann denkt. Mehr als 1300 Titel hat Arndt Bause komponiert. Auch Filmmusik schrieb er – etwa für „Die fliegende Windmühle“. 2003 starb er mit 66 Jahren an einer Lungenembolie. Am Mittwoch, den 30. November, wäre Bause 80 Jahre alt geworden.

Wenn es nach den Eltern des gebürtigen Leipzigers gegangen wäre, hätte sich die Geschichte des DDR-Schlagers ganz anders entwickelt. Sie wollten, dass ihr Junge nach der Glasapparatebläser-Ausbildung in diesem „richtigen Beruf“ bleibt. Doch Arndt war so vom Boogie Woogie fasziniert, dass er zu Hause mit knapp 18 verkündete: „Ich bin Musiker. Ich mache Musik.“ Die entsetzte Antwort der Eltern: „Das kommt überhaupt nicht infrage. Aus dir soll doch mal was werden.“

„Für mich war er ein Genie“, sagt seine Tochter Inka (48), für die er auch erfolgreich komponierte („Spielverderber“), im Interview. „Er war süchtig danach, Melodien zu schreiben – egal für wen. Wenn ihn die Muse geküsst hat, hat er sie auf Zettel, Servietten oder Tischdecken schnell aufgeschrieben.“

Die jüngste der drei Bause-Töchter, bekannt etwa als Moderatorin der RTL-Kuppelshow „Bauer sucht Frau“, hat nun zum 80. Geburtstag ihres Papas dessen Biografie aus dem Jahr 2001 überarbeitet.

„Mir stand in dem Buch zu viel im Raum, was ich nicht stehen lassen wollte“, sagt sie. In der Biografie „Auf der Tonleiter in den Schlagerhimmel. Geschichten meines Vaters“ schreibt Inka zu diesem Projekt: „Ich würde das nicht machen, wenn ich nicht fast jeden Tag meines Lebens an meinen Vater denken würde, ihn vermisse.“ Und: „Viel Spaß beim Erinnern – an ein Land, eine Melodie, ein Gefühl.“

Der erste Hit des „Schlagerfuzzis“, wie sich Bause selbst nannte, war „Gold in deinen Augen“ – 1972, mit Frank Schöbel am Mikrofon. „Und ich konnte nun mit einem Moskwitsch zur Produktion meiner Titel nach Berlin fahren“, schreibt er. Die Karriere nahm ihren Lauf. Er produzierte seine Lieder bald überall: beim Rundfunk, beim Fernsehen und bei der Schallplattenfirma Amiga. Songs von ihm gelangten bis in die Hit-Paraden im Westfernsehen.

Eines Tages kaufte er sich ein auffälliges West-Auto, „einen großen Mercedes mit einem Stern vorne dran ... Der Preis war gigantisch.“ Und dann beging der Komponist einen großen Fehler: Er fuhr mit diesem Auto bei Amiga auf den Hof. „Von da ab machte Bause in der Deutschen Demokratischen Republik bei Amiga keine Platte mehr.“ Bis einige Zeit später die pfiffige Helga „Henne“ Hahnemann es schaffte, dass dieses Verbot aufgehoben wird – damit sie mit Bause eine Platte machen kann.

Eine Kooperation mit zwei sehr bekannten Sängern, die jenseits der DDR lebten, scheiterte hingegen: Für die erste Verabredung mit Karel Gott fuhr der Komponist extra nach Prag – doch statt der „Prager Nachtigall“ öffnete der Vater des Sängers die Tür. „Nein, Karel war nicht in Prag, der war irgendwo in der Welt. Damit hatte sich die Sache erledigt“, schreibt Bause.

Auch aus großen Plänen mit Roy Black wurde nix. Er hatte irgendwann vor dem Mauerfall bei Bause vor der Tür gestanden und verkündet, dass er mit ihm drei Langspielplatten machen wolle: eine mit Volksliedern, eine mit Weihnachtsliedern und eine mit Schlagern. „Ich habe mir sofort ausgerechnet: Drei LPs mit Roy Black, nur in der DDR, so viel Geld können wir gar nicht stapeln“, heißt es in den Memoiren. Doch kurz danach ruft Roy Black an und berichtet, die VEB Deutsche Schallplatten sei nicht bereit, ihm eine Lizenzgebühr einzuräumen. Das Vorhaben sei gescheitert.

Bald fiel die Mauer. „Jetzt war ich in einem Land, wo ich nicht mehr gebraucht wurde. Wir hatten eine neue Platte mit Helga, aber die Leute kauften sie nicht. Die Leute wollten nur noch Westmusik“, schreibt Bause.

Tochter Inka sagt heute: „Er war zuvor ein Drahtzieher – aber im neuen System nicht mehr. Er hat nicht begriffen, warum er keine Chance mehr bekommen hat. Daran ist er zerbrochen. Er war so unglücklich, dass er keine grandiosen Melodien mehr schreiben konnte.“