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Sommer 1914 - Zwischen Euphorie und Angst

15.04.2014, 13:07

Hannover - Es ist Sommer 1914. In Sarajevo wird der habsburgische Thronfolger Franz Ferdinand von einem serbischen Nationalisten erschossen.

Die Großmächte steuern bewusst oder unbewusst auf einen katastrophalen Krieg zu. Die Autoren Annika Mombauer und Tillmann Bendikowski beschreiben in ihren neuen Büchern zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs auf unterschiedliche Weise die ambivalenten Gefühlswelten der Entscheidungseliten und auch der einfachen Menschen in jenen Sommertagen. Ihre Ansätze sind dabei völlig unterschiedlich.

Die in Großbritannien lehrende Historikerin Annika Mombauer richtet in ihrem Buch "Die Julikrise. Europas Weg in den Ersten Weltkrieg" den Blick auf die politischen Entscheidungen und möglichen Alternativen in der Julikrise. Anders als zum Beispiel Christopher Clark in seinem Bestseller "Die Schlafwandler" richtet Mombauer viel mehr den Blick auf die Verantwortung der Mittelmächte Deutschland und Österreich am Ausbruch des Krieges.

Für Mombauer war der Krieg nicht das Resultat von Fehlern einiger Diplomaten, nicht ein Unfall und die Verantwortlichen waren keine "Schlafwandler", er brach aus, weil einflussreiche Kreise in Wien und Berlin ihn wollten.

Die Julikrise sei in den ersten Wochen alleine ein Ding von Österreich-Ungarn und von Deutschland gewesen. "Die Dokumente, auf die wir uns stützen können, beweisen eindeutig, dass diese beiden Großmächte es auf einen Krieg abgesehen hatten, bevor die Regierungen der anderen Großmächte überhaupt wussten, dass ein europäischer Konflikt bevorstand.

Doch auch für Mombauer ist klar, dass es Möglichkeiten gegeben hätte, diesen Waffengang zu verhindern. Vor allem London habe versucht, die Krise zu entschärfen. Nach dem sogenannten Blankoscheck des Deutschen Reiches für Österreich-Ungarn, dem Bündnispartner in jedem Fall zur Seite zu stehen, hätte es noch Möglichkeiten zur Entschärfung gegeben. Zum Beispiel hätte Russland Serbien raten können, das Ultimatum von Wien nach den Todesschüssen auf Franz Ferdinand anzunehmen. So komme auch Russland eine Schlüsselrolle zu, da Serbien diesem Rat sicher gefolgt wäre.

Der Journalist und Historiker Tillmann Bendikowski wählt einen ganz anderen Ansatz, um zu erläutern, dass es im August 1914 keineswegs eine allgemeine Kriegsbegeisterung in Deutschland gab. Er beschreibt anhand von fünf Zeitgenossen die Gefühlswelten in den Krisenwochen vor dem Kriegsausbruch. Bendikowski beschreibt in dem Buch "Sommer 1914. Zwischen Begeisterung und Angst - wie Deutsche den Kriegsbeginn erlebten" die politischen Entscheidungswege an der Person von Kaiser Wilhelm II. Aufgrund der Quellengrundlage von Tagebuchaufzeichungen skizziert er die Gefühlswelt des frankophilen Historikers Alexander Cartellieri, des linken Aktivisten Wilhelm Eildermann, der Lehrerin Gertrud Schädla und des deutsch-elsässischen Lyrikers Ernst Stadler.

Bendikowski negiert die lange angenommene Kriegseuphorie der Deutschen. "Es gab keine dominierende Stimmung, diese Wochen waren vielmehr von Ambivalenzen geprägt. Zwiespältig und zerrissen waren die Gefühle der Deutschen, widersprüchlich, oft sprunghaft und zuweilen unberechenbar", ist sein Fazit. Auch er sieht in Deutschland den Hauptverantwortlichen für den Kriegsausbruch und beschreibt die Unfähigkeit Wilhelms II. Der Kaiser, der das Geschehen nicht überblicken konnte.

Mombauer, Annika, Die Julikrise. Europas Weg in den Ersten Weltkrieg, C.H.Beck, 128 S., 8,95 , ISBN 978-3-406-66108-2
Tillmann Bendikowski, Sommer 1914. Zwischen Begeisterung und Angst - wie Deutsche den Kriegsbeginn erlebten, C.Bertelsmann, 464 S., 19,99 , ISBN: 978-3-570-10122-3