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Propaganda und Realität: Poster und Fotos aus der DDR

23.07.2014, 14:16

München/Halle - Die Wirkung von Bildern ist unbestritten, wobei gemalte vor allem das widerspiegeln, was wahrgenommen werden soll. Sie sind Träger und Vermittler bestimmter Absichten und Botschaften. Fotos hingegen sind zumeist Momentaufnahmen der Realität und sprechen häufig für sich.

Zwei Bände, die sich mit diesen Ausdrucksformen befassen, bereichern jetzt den Büchermarkt: "DDR Posters - Ostdeutsche Propagandakunst" des Engländers David Heather und "Stadt, Land, Leben - Fotografien aus der DDR" des Fotografen Jürgen Graetz mit Texten von Beate Teubert.

Die Propagandakunst der DDR auf Plakaten ist ein bisher wenig erforschtes Feld der DDR-Geschichte. Rund 9000 Poster aus den Jahren 1945-1989 beherbergt das Deutsche Historische Museum in Berlin. Der in Lissabon lebende Heather wählte für seinen Band 122 aus, die er chronologisch ordnete und die wenig subtile Meinungsmanipulation der Staatsführung kommentierte (in Deutsch und Englisch). So bestimmen die Themen Nachkriegsfolgen, Frieden und Wiederaufbau die ersten Poster aus den 40er Jahren in der damaligen sowjetischen Besatzungszone.

Soldatengräber, vaterlose Kinder, arbeitende Mütter zieren großformatige Bilder mit mahnenden Sätzen wie "Euer Ja für den Frieden!". Gefolgt von oft martialisch anmutenden Plakaten, die die Bevölkerung gegen die westlichen Alliierten ("Ami, go home") und Westdeutschland als "Kriegstreiber" einnehmen sollten. Interessant hierbei ist, dass gerade die frühen Bilder nicht selten in künstlerischem und Propaganda-Stil jenen aus der Zeit des Nationalsozialismus ähneln. Der Grund liegt auf der Hand: Etliche der Plakatkünstler waren schon unter den Nazis aktiv.

Spätere Poster befassen sich mit der (Zwangs-)Vereinigung von KPD und SPD zur SED, und nach der Staatsgründung mit dem sozialistischen Aufbau nach sowjetischem Vorbild, der vor allem eins verhieß: Wohlstand und Frieden - natürlich auch im Jahr des Volksaufstandes 1953. Produktivität und Engagement jedes Einzelnen und Verständnis für die Erhöhung der Normen wurden eingefordert, der Wettlauf im All als Siegeszug des Kommunismus dargestellt. Gleichermaßen verteufelt wurde auf Plakaten der Einfluss Westeuropas und der USA auf die westdeutsche Politik und deren militärische Bedrohung.

Der verbale Stil auf den Postern verschärfte sich im Laufe der Jahrzehnte, der künstlerische wandelte sich weniger deutlich: Selbst die letzten Plakate zum 40. Jahrestag der DDR 1989 entsprachen in völliger Verkennung der Realität konsequent einer Arbeiter-und-Bauern-Glückseligkeit, die es nie gegeben hat.

Ganz anders die fotografische Reflexion der DDR durch Jürgen Graetz. Sie beginnt erst 1967, doch hat man beim Betrachten einiger Bilder den Eindruck, sie seien kurz nach dem Krieg entstanden: verfallene Häuser, Ruinen, Notbehelfe. Andere Fotos halten fest, was Staat und Partei propagierten: Aufmärsche zum 1. Mai, Militärparaden, Staatsbesuche, Pioniere im Einsatz oder Bilder aus der Produktion. Aber sie zeigen ganz real auch eine Seite im DDR-Leben, die auf den Plakaten jener Zeit verlogen wirkt: kleine Nischen der Freude, des Glücks, Lachen, Spiel und Spaß.

Ein Foto aus dem brandenburgischen Badingen - eines der sarkastischsten Bilder überhaupt - zeugt vom Galgenhumor der Menschen in der DDR: Im Hintergrund einer völlig verfallenen und versifften Kulisse mit Ungeziefer, unterschiedlichen Stühlen und einem nackten Tisch, dessen Beine mit Ziegelsteinen stabilisiert werden, prangt ein großes handgeschriebenes Plakat: "Hohe Leistungen zum Wohle unseres Volkes! Tierliebe und Fleiß sichern uns die Wettbewerbszielstellungen im 40. Jahr des Bestehens unserer Republik!"

Fotograf und Autorin, die ihre Bilder nach Kategorien wie Politik, Straße, Jugend, Freizeit usw. ordneten, sind auch Zeugen einer Ausreisefeier, und sie halten natürlich das ganz große Ereignis in Wort und Bild fest: die Maueröffnung. Die großartigen Momentaufnahmen von Jürgen Graetz und Beate Teubert zeigen aber vor allem eines: Wie sich das Leben auch hinter Mauer und Stacheldraht Bahn bricht und wie Menschen mit Erfindungsgeist dem Mangel begegnen. Die Plakatstudie des Briten David Heather belegt hingegen die Methode der DDR-Führung, den Mangel zu verwalten. Zwei hochinteressante und wichtige Bände, die die Realität im Lande und ihre parteigesteuerte, staatliche Ignoranz nicht deutlicher zeigen könnten.

- David Heather: DDR Posters - Ostdeutsche Propagandakunst. Prestel Verlag München, 160 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-791-34808-7.

- Jürgen Graetz, Beate Teubert: Stadt, Land, Leben - Fotografien aus der DDR. Mitteldeutscher Verlag Halle/Saale, 160 Seiten, 24,95 Euro ISBN 978-3-95462-332-7.