1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Buch
  6. >
  7. Von Harndrang und Stalin: Kunderas neuer Roman

EIL

Von Harndrang und Stalin: Kunderas neuer Roman

24.03.2015, 15:20

München - Ein bedeutendes Buch über Bedeutungslosigkeit: Der preisgekrönte Autor Milan Kundera hat einen neuen Roman vorgelegt, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.

Stalinismus, die Erotik des Bauchnabels und Freundschaft unter Männern werden darin behandelt dazwischen immer wieder die Frage nach dem Wert der Bedeutungslosigkeit. Und es geht vor allem um Humor. Federleicht kommt der Roman daher - Träume und Realität verschwimmen. Kundera, der immer wieder für den Literaturnobelpreis gehandelt wurde, zeichnet mit "Das Fest der Bedeutungslosigkeit" ein fein beobachtetes Bild dieser Gesellschaft.

Laut Münchner Carl Hanser Verlag ist es jetzt 14 Jahre her, dass in Deutschland zuletzt ein Roman von Kundera erschien. 2001 kam "Die Unwissenheit" auf den Markt.

Zur Handlung des neuen Romans: Paris im Juni. Vier Männer, alle in die Jahre gekommen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Da ist zum Beispiel Alain, der damit leben muss, dass seine Mutter ihn in jungen Jahren verlassen hat und eigentlich nie hatte gebären wollen. Er ist ein Mensch, der sich für alles und jeden um Entschuldigung bittet. "Die Entschuldiger" titelt Kundera eine Passage seines Romans.

Dann ist da Caliban, verkannter Schauspieler. Er verdingt sich jetzt mit Kellnern. Mit seinem Freund Charles organisiert er Cocktail-Partys. Der Clou: Caliban gibt sich als Pakistaner aus und spricht eine erfundene Sprache, um die Abende mit den dumpfen Gesprächen der Gäste humorvoll zu überstehen. Und letztlich Ramon. Er würde so gerne eine Chagall-Ausstellung sehen, aber ihn ekelt die Schlange vor der Kasse an. Er kann sich nicht überwinden, sich anzustellen. Alle vier Männer treffen im Verlauf des Romans auf einer Cocktail-Party zusammen.

Kundera, der am 1. April 86 Jahre alt wird, arbeitet auch in diesem Werk mit dem zutiefst Persönlichen seiner Figuren und stellt daneben große politische Bewegungen. Hier ist es wie schon öfter bei Kundera der Stalinismus.

Alles dreht sich um diese Geschichte: In einem Buch, das Charles seinen Freunden vorstellt, wird eine Anekdote beschrieben, wie Stalin Genossen kleine "Histörchen" aus seinem Leben erzählt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen können. Einer der Anwesenden hat starken Harndrang, reißt sich aber zusammen, zeigt Stalin so seine Treue und hört ihm weiter zu. Es ist das Staatsoberhaupt Kalinin. Die Hose ist am Ende der Geschichte nass. Stalin benennt schließlich eine Stadt nach ihm - aus Köngisberg wird Kaliningrad.

Den Erzähler stattet Kundera, der vor allem durch seinen Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (1984) weltweit bekannt wurde, mit einer immanenten Präsenz aus. Er kennt die Innensicht der Figuren. Als Ich-Erzähler spricht er den Leser direkt an, konfrontiert ihn, ja versucht sich gar in dessen Gedanken zu versetzen. Mehr Nähe geht nicht.

Der Roman heißt in der französischen Originalausgabe "La fête de l\'insignifiance" und kam im vergangenen Jahr im Nachbarland auf den Markt.

Der Roman des 85-Jährigen, der im tschechischen Brünn (Brno) geboren wurde, zeitweise Mitglied der kommunistischen Partei war und vor vielen Jahrzehnten nach Frankreich emigrierte, bekam dort viele gute Kritiken. Die Tageszeitung "Le Monde" etwa lobte Kunderas "wunderbare Leichtigkeit".

- Milan Kundera: Das Fest der Bedeutungslosigkeit, Carl Hanser Verlag, 144 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-446-24763-5.